24. Kapitel Weltkrieg und Revolution. Der   1914   ausgebrochene   Weltkrieg   und   die   sich   an   ihn   anschließende   Revolution   haben   auch   für   Wismars   wirtschaftliche   Lage   und seine   Verfassung   eine   derartige   Bedeutung   erlangt,   dass   diese   Geschichte   nicht   abgeschlossen   werden   kann,   ohne   ihnen   noch   ein Kapitel   einzuräumen.   Auch   wird   es   erwünscht   sein,   die   Nöte   des   Krieges,   obgleich   sie   unsere   Stadt   keineswegs   besonders   getroffen haben,   in der   Erinnerung   festzuhalten und eine dem ganzen gegenüber etwas unangemessene   Breite darin   ihre   Entschuldigung   finden, dass nur Einzelheiten die nötige Anschaulichkeit vermitteln können. Zunächst   erfuhr   das   öffentliche   Leben   der   Stadt   dadurch   eine   gewisse   Beruhigung,   dass   sich   unter   dem   Einfluss   der   in   den   ersten Jahren   einen   Ausgleich   von   Gegensätzen   fordernden   versöhnlichen   Stimmung   der   Rat   entschloss,   ein   wider   einige   einflussreiche Bürger    eingeleitetes    Strafverfahren    niederzuschlagen.    Es    war    nämlich    die    Bürgerschaft    im    Spätherbst    1913    durch    eine    in    Warin gedruckte   Schmähschrift   wider   die   einzelnen   Ratsherren,   noch   mehr   aber   durch   die   deshalb   angestrengte   Untersuchung   aufgeregt worden.   Der   Verdacht   hatte   sich   gegen   den   schwerkranken   Kaufmann   Rudolf   Ahrens,   den   Hofbäckermeister   Bärwinkel   und   den Rentner,   früheren   Bäckermeister   Johannes   Dettmann   gerichtet,   alle   drei   Mitglieder   des   Bürgerausschusses.   Sie   wurden   für   eine   kurze Zeit   in   Haft genommen, Ahrens   in seiner Wohnung.   Überführt wurde   nur dieser; er starb   bald, ohne seine   Genossen verraten zu   haben. Senator   Wilde,   der   im   Rat   wahrheitswidrig   alles   Mitwissen   um   die   Sache   abgeleugnet   hatte,   erschoss   sich   in   der   Nacht   vom   6.   auf   den 7.   März   1914.   Bärwinkel   und   Dettmann   waren,   weil   sie,   als   mindestens   mitwissend,   wider   ihre   Pflichten   gegen   den   Rat   verstoßen hatten,   ihrer zahlreichen   Ehrenämter enthoben worden, wurden aber   nunmehr wieder zu   ihnen zugelassen.   Bärwinkel starb am   10.   Mai 1916. Auch   die   Untreue   und   Unterschlagungen   des   Rechtsanwalts   Schlottmann,   der   deshalb   1910   ins   Ausland   geflohen   war,   fanden   im   Krieg ihre    Sühne.    Er    sah    sich    genötigt    nach    Deutschland    zurückzukehren    und    wurde    zu    2    ½    Jahren    Gefängnis   verurteilt,    hat    diese Verurteilung aber nicht lange überlebt. Eine   zweifelhafte   Ehrung   wurde   Wismar   dadurch   zu   Teil,   dass   im   Herbst   1916   eine   angebliche   Prophezeiung,   die   auf   Grundlage   eines Machwerks   aus   dem   nordischen   Krieg   tölpelhaft   umgearbeitet   war,   hier   aufgefunden   und   aufbewahrt   sein   sollte.   Die   schwindelhafte Behauptung   wurde   nicht   nur   in   Deutschland,   sondern   auch   in   Österreich   und   Schweden   hartnäckig   verbreitet   und   veranlasste   eine Unmenge Fragen nach der Wahrheit, hat also Halbgläubige genug gefunden. Der   Handel   zur   See   hörte   unmittelbar   mit   dem   Ausbruch   des   Krieges   fast   gänzlich   auf,   zumal   da   die   regelmäßige   Einfuhr   in   der Hauptsache   aus   Kohlen,   Holz   und   Futtermitteln   bestand   und   zum   größten   Teil   aus   England   und   Russland   kam.   Es   sind   aber   auch   aus Schweden   während   der   ganzen   Kriegszeit   nur   wenige   Schiffe   mit   Holz   eingelaufen,   und   auch   nach   dem   Krieg   hat   sich   das   in   Folge   der Entwertung   des    Deutschen    Geldes    nur   wenig   anderen    können.    Hatte   die    Gesamteinfuhr    in   den   zehn    Jahren   von    1904    bis    1913 durchschnittlich    218.524    Tonnen    im    Jahr,   die    Gesamtausfuhr    83.416    Tonnen    betragen,    so   erreichte    sie    in   den    sechs    Jahren   von 1914—1919 durchschnittlich   nur   50.070 und   76.570 Tonnen, und dabei sind   noch die sieben   Friedensmonate von   1914 eingerechnet.   Das erste   Friedensjahr   brachte   nur   23.712   Tonnen   Einfuhr   und   8.966   Tonnen   Ausfuhr.   Der   Verkehr   mit   den   Neutralen   stellte   sich   während des   Krieges   gründlich   um.   Ging   die   Einfuhr   aus   Schweden   und   Dänemark   sehr   beträchtlich   zurück,   so   schwoll   die   aus   Norwegen bedeutend   an.   Es   waren   namentlich   Ferrosilicium   und   Kalziumkarbid,   die   uns   von   dort   geliefert   wurden.   Umgekehrt   steigerte   sich während   der   Jahre   1915   bis   1918   die   Ausfuhr   in   die   nordischen   Länder   erheblich,   und   zwar   waren   es   Koks,   Kohlen   und   Briketts,   die   das verursachten, wogegen die sonst hergebrachte Ausfuhr von Getreide oder Salz dahin entweder ganz wegfiel oder stark zurückging. Während   die   Einfuhr   aus   dem   Deutschen   Zollgebiete von   1904   bis   1913   durchschnittlich   10.751   Tonnen   betragen   hatte,   sank   sie von   1915 bis   1919 auf   2.970.   Unter den von dort eingeführten Waren tauchen als   neu   Steinkohlen auf und übertreffen   Ölkuchen weitaus die sonst üblichen   Mengen.   Die   Ausfuhr   in   das   Deutsche   Zollgebiet   sank   von   durchschnittlich   17.238   Tonnen   auf   5.208,   wobei   die   Waren   im Ganzen dieselben blieben. Es   sanken   die   Zahlen   der   Geburten,   die   von   1905   bis   1909   durchschnittlich   655,   von   1910   bis   1914   577   betragen   hatten,   von   1915   bis   1918 auf   337   im   Jahresdurchschnitt.   Die Todesfälle, die von   1905   bis   1909 durchschnittlich   436, von   1910   bis   1914   426   betragen   hatten, stiegen von   1915   bis   1918   auf   621.   Diese   Steigerung   wurde   zum   Teil   durch   Mangel   an   Nahrung,   zum   Teil   durch   Epidemien   veranlasst,   die während   des   Krieges   auftraten:   Diphtherie   von   1914   bis   1918,   Scharlach   1915   und   1916,   Typhus   1917.   Grippe   nötigte   im   Juli   dieses   Jahres den   Fernsprechverkehr   einzuschränken.   Sie   war   im   Oktober   1918   besonders   schlimm   und   nötigte   zu   Schulschluss.   Der   Durchschnitt der   Eheschließungen   hatte   von   1905   bis   1909   169,   von   1910   bis   1914   158   betragen,   er   ging   für   1915   bis   1918   auf   102   zurück.   Nach   der Zählung vom 1. Dezember 1910 hatte Wismar mit seiner Feldmark 24.378 Einwohner gehabt, am 8. Oktober 1919 wurden 25.163 gezählt. Die   Schulden   der   Stadt,   die   nach   Abzug   der   Ausstände   und   des   Kassenbestandes   zu   Ende   des   Jahres   1913      4.960.000   M.   betragen hatten,   wuchsen   in   den   Kriegsjahren,   obgleich   die   Ausgaben   für   Hafenzwecke   und   andere   Bauten   nach   Möglichkeit   eingeschränkt wurden,   um   rund   eine   Million   bis   auf   5.938.000   M.   am   Ende   von   1918.   Die   nächsten   Jahre   brachten   in   Folge   der   verhängnisvollen Geldentwertung dann eine maßlose Steigerung der Nominale. Für   die   Große   Stadtschule   wurde   1915   und   1916   eine   Turnhalle   gebaut,   vor   allem   aber   1919   und   1920   das   Gaswerk,   das   im   Krieg   an   die äußerste   Grenze   seiner   Leistungsfähigkeit   angelangt   war,   erheblich   erweitert.   Da   die   Zufuhr   von   Petroleum   abgeschnitten   war,   suchte jedermann   Anschluss   an   das   Gaswerk   und   das   elektrische   Kabel.   Davon   war   die   Folge,   dass   bis   zum   März   1919   die   Zahl   der   Abnehmer von   Gas auf   über das   Doppelte des   früheren   Bestandes   nämlich auf   6.450 anwuchs,   und das,   trotzdem das   Werk   neue   Anschlüsse   lange Zeit hindurch nur in Fällen dringender Not zuließ. Der neue Ofen wurde im November 1920 in Betrieb gesetzt. Im   Sommer   1917   wurden   die   letzten   Ackerstücke   auf   dem   Hafffeld   von   der   Stadt   angekauft,   z.   T.   im   Wege   der   Enteignung.   Auch   die Haffburg   wurde   im   November   d.   J.   von   der   Stadtkämmerei   erworben,   aber   unter   dem   neuen   Regiment   wieder   veräußert.   Mit   dem   Bau des Bahndammes zum Industriehafen wurde, um Arbeitslose zu beschäftigen, 1919 begonnen. Die   private   Bautätigkeit ging von   1915 an   reißend   zurück,   z.   T.   unter   militärischem   Zwang.   Erst als   sich   im   Jahr   1918   mehr   und   mehr ein Mangel   an   Wohnungen   herausstellte,   wurde   unter   Beihilfen   seitens   der   Stadt   das   Bauen   wieder   ausgenommen,   wenn   auch   durch Knappheit   und   Teuerung   der   Baustoffe,   Ansteigen   der   Löhne   und   Niedrighalten   der   Mieten   gehemmt   und   später   sogar   unterbunden. Der Ausbau von   Dachgeschossen wurde   begünstigt und entgegenstehende   Bestimmungen der   Bauordnung wurden außer   Kraft gesetzt. Neubauten entstanden vor allem am Philosophenweg, vor dem Lübschen Tor, bei der Eisernen Hand, später auch am Klußer Damm. Die   Realschule der   Großen   Stadtschule wurde seit   1915 zu einer   Oberrealschule entwickelt und daran   Ostern   1916 die erste   Reifeprüfung abgehalten;   am   6.   Juni   wurde   sie   vom   Reichsamt   des   Innern   anerkannt.   Besonders   in   Folge   dieser   Umgestaltung   überschritt   die Schülerzahl der gesamten   Anstalt, die   in   Anlass des   Kriegs   merklich   zurückgegangen war,   schon   Ostern   1917 den   Stand von   1912;   später nahm   sie   erst   recht   zu.   Der   Unterricht   musste   hier   wie   in   den   übrigen   Schulen   teils   wegen   der   Epidemien,   vorzüglich   aber   wegen Mangels   an    Heizungsmaterial   seit   Anfang    1916   wiederholt   für    längere   Zeit   ausgesetzt   werden.   Aus   gleichem    Grund   wurden   die Schülerinnen   des   Lyzeums   eine   Zeit   lang   im   Gebäude   der   Großen   Stadtschule   mit   unterrichtet,   wobei   die   Schulen   im   vor-   und Nachmittagsunterricht    abwechselten.    Für    die    Volksschule    wurde    die    gleiche    Vereinigung    notwenig,    weil    die    Knabenvolksschule unmittelbar   nach   Ausbruch   des   Krieges   zum   Reservelazarett   eingerichtet   war.   Erst   1919   wurden   diese   Schulräume   wieder   für   ihren eigentlichen   Zweck   frei,   vielfach   wurde   wegen   Einberufung   zahlreicher   Lehrer   die   Vereinigung   von   Klassen   nötig,   auch   wurden   die älteren   Schüler   und   Schülerinnen vielfach   zum   Hilfsdienst,   besonders   auf   dem   Lande   herangezogen.   Weit   mehr   als   die   Schulen   litt   die Ingenieurakademie.   Deren   Schülerzahl   sank   auf   ein   Viertel   ihres   früheren   Bestandes,   wobei   der   Umstand   stark   mitwirkte,   dass   sich darunter nicht wenige Ausländer befanden. Allerhand   Beschränkungen   wurden   durch   Sicherungsmaßnahmen   hervorgerufen.   Das   Hafengebiet   wurde   seit   Januar   1915   militärisch bewacht   und   durfte   seit   dem   Sommer   1916   nur   auf   Ausweiskarten   hin   betreten   werden.   Nach   vorübergehender   Freigebung   wurde,   um endlosen   Diebstählen   zu   steuern,   vom   1.   September   1919   an   das   Betreten   zur   Nachtzeit   verboten.   Ziemlich   gleichzeitig   mit   der Sperrung   des   Hafengebiets   wurde   der   Fahrradverkehr   beschränkt,   so   dass   der   erst   1914   angelegte   Radfahrweg   nach   Wendorf   verödete. Zugleich   wurden   die   Fahrraddecken   und   Schläuche   beschlagnahmt   und   deren   Ablieferung   im   März   1916   verlangt.   Die   Türen   des Rathauses   wurden   bis   auf   den   Haupteingang   seit   dem   20.   Mai   1916   außerhalb   der   Geschäftsstunden   geschlossen   gehalten,   vom   10. September   1916   bis zum   28. d.   M.   1917 wurde der gesamte   Post- und Telegraphenverkehr   nördlich der   Eisenbahnlinie Wismar-Doberan- Rostock-Ribnitz   unter   Aufsicht   gestellt,   und   erst   vom   1.   März   1917   an   durften   wieder   Briefe   geschlossen   eingeliefert   und   konnten Ferngespräche   ohne   Umstände   geführt   werden.   Natürlich   unterstand   der   Verkehr   mit   dem   Ausland   stetiger   Aufsicht,   die   seit   dem Sommer   1917 auch auf den   Bücherversand ausgedehnt wurde.   Aus   besonderen   Gründen durften vom   15.   bis   20.   September   1916   Tauben ihren   Schlag   nicht   verlassen,   weshalb   am   24.   Oktober   dieses   Jahres   Verhaltungsmaßregeln   für   den   Fall   eines   Fliegerangriffs   empfohlen wurden,   ist   nicht   bekannt   geworden.   Die   selbstverständliche   Folge   war   bei   manchen   Leuten   Angst,   so   dass   einige   ihre   Koffer   packten. Die Seebäder, auch Poel konnte man seit 1916 nur gegen Ausweis besuchen. Doch war die Handhabung auf Poel lässig genug. Der   Mangel   an   Männern   stieg,   namentlich   nach   Einrichtung   des   Hilfsdienstes   im   Frühjahr   1917,   aufs   höchste   und   machte   sich   im täglichen   Leben   in   verschiedenster   Weise   bemerkbar.   Die   Zahl   der   Schutzleute   sank   von   18   auf   11,   wobei   noch   vielfach   Vertretungen durch   ältere   Beamte   stattfanden.   Es   war   das   nur   deshalb   erträglich,   weil   die   zu   Gewalttätigkeiten   Neigenden   meist   einberufen   waren und   der   Alkohol   mehr   und   mehr   versiegte.   In   die   Büros   zog   das   weibliche   Geschlecht   scharenweise   ein.   Ladengeschäfte   mussten mittags schließen (einzelne schon Ende Juli 1915). Ärzte hielten seit dem 15. September 1915 sonntags keine Sprechstunden mehr ab. Die   Zahl   der   in   Wismar verkehrenden   Züge   wurde,   nachdem   die   ersten   Störungen   überwunden   waren,   zuerst   durch   den   Fahrplan vom 10.   Januar   1917   merklich   beschränkt   und   von   täglich   36   auf   26,   vom   15.   Mai   1918   an   auf   24   zurückgeführt.   Stärkere   Einschränkungen traten   während   des   Krieges   nur   vorübergehend   in   Kraft,   nach   Abschluss   des   Waffenstillstandes   aber   wurde   der   Personenverkehr   für längere   Monate   fast   erdrosselt   (bis   auf   6   Züge   täglich).   —   Auch   die   Annahme   von   Frachten   wurde   des   Öfteren   gesperrt.   Erst   im Sommer 1920 ist eine Besserung eingetreten. Empfindlicher   als   all   das   wurde   die   sich   allmählich   mehr   und   mehr   geltend   machende   Knappheit   an   Lebensmitteln   und   Waren jeglicher   Art.   Zuerst   trat   sie   beim   Brot   hervor.   Nachdem   schon   früher   im   Allgemeinen   zu   Sparsamkeit   ermahnt   und   am   28.   Oktober 1914   verboten   war   Semmeln   aus   reinem   Weizenmehl   zu   backen,   wurde   zu   Ende   des   Januar   1915   den   Bäckern   und   Konditoren   untersagt mehr   als   drei   Viertel   des   von   ihnen   in   der   ersten   Hälfte   des   Januar   durchschnittlich   Gebackenen   herzustellen,   nachts   aber   durfte   seit dem   15.   Januar   überhaupt   nicht   mehr   gebacken   werden.   Mit   dem   1.   März   1915   wurden   Brotkarten,   im   Juni   1916   Reisebrotmarken eingeführt,   ohne   die   niemand   Brot   oder   Semmeln   kaufen   konnte.   Ungefähr   gleichzeitig   mit   dem   Einzug   der   Brotkarten   hörte   die Hausbäckerei auf, da   kein   Bäcker dafür eintreten   konnte, dass   nicht sein   Kunde dem Teig   mehr als   10 v.   H. Weizenmehl zugesetzt   hatte. Das auf die volle Karte wöchentlich zu beziehende grobe Brot durfte anfänglich 2.380 g, das Mittelbrot 2.240 das feine 2.100 wiegen,                                                           Grobbrot              Mittelbrot           Feinbrot seit dem 1. Februar 1916                    2240                       2100                       1960 seit dem 16. April 1917                       1680                       1645                       1610 vom 12. August 1917 an                     2030                       1995                       1960 vom 17. Juni 1918 an                           1820                       1785                        1750 vom 19. August 1918 an                     1995                       1960                       1920 vom 1. Dezember 1918 an                 2359                       2324                       2289 1920 seit längerem                            1988                       1904                       1820 Dabei   ist   zu   bemerken,   dass   es   für   grobes   Brot   zwar   Karten   gab,   das   es   aber   nicht   gebacken   wurde.   Im   Jahre   1918   durften   Semmeln zeitweise   überhaupt   nicht,   das   eine   Brot   (Weizenschrotbrot)   aber   nur   von   zwei   (in   gewisser   Abwechslung   dazu   bestimmten)   Bäckern für   Kranke   gebacken   werden;   doch   war   diese   Anordnung   nicht   durchzuführen.   Bei   alledem   wurde   das   Brot   durch   mehr   oder   minder scharfes    Ausmahlen   des    Korns    und   durch    Zusatz   von    Kartoffeln   oder   anderen    Sachen   verschlechtert.    Zusatzkarten   wurden    für Schwerarbeiter,   im   Winter   von   1916   auf   1917   auch   für   Jugendliche,   im   Sommer   1917   für   Mütter   und   Kinder   ausgegeben.   Die   Preise betrugen   anfangs   so,   80,   75,   85   Pfennige   für   das   Brot,   stiegen   im   November   1916   auf   1,25   M.,   1,30   M.      1,35   M.,   seit   1920   3,90   M.   und   4   M. und   entsprechend   der   Geldentwertung   seit   1922   weiter   ins   Uferlose.   Am   8.   Juni   1917   wurde   den   Bäckern   verboten   Kuchen   zu   backen, ein   Verbot,   das   noch   am   Ende   des   Jahres   1920   bestand   und   durchgeführt   wurde.   Die   letzten   Inserate   über   Kuchen   finden   sich   vom   12. September    1915,    über    Honigkuchen   am    5.    März    1916.    Ländliche    Wirtschaften   verheißen    noch   am    29.    Oktober    1916    Apfel-    und Pflaumenkuchen.   Erst   am   22.   März   1918   preist   Konditor   Greve   wieder   Torten   an.   Weizenmehl   ohne   Karten   wird   noch   am   10.   August 1915 angeboten,   sogenanntes ausländisches   Mehl   zu   Wucherpreisen am   26.   April   1917,   Reis   zuletzt am   20.   Januar   1916,   Maismehl am   16. September 1916, Haferflocken am 23. Mai 1916. Der   Versorgung   der   Einwohner   mit   Kartoffeln   nahm   sich   die   Stadt   seit   dem   Februar   1915   an   und   stellte   seit   dem   Frühjahr   dieses   Jahres auch   Land   zum   Anbau   von   Kartoffeln   und   Gemüse   zur   Verfügung,   z.   T.   kostenlos.   Das   dehnte   sich   mehr   und   mehr   aus,   und   das Verlangen   nach   Kartoffelland   und   Gärten   war   noch   1923   nicht   voll   befriedigt.   Der   Obst-   und   Gartenbauverein   zählte   1920   über   1.000 Mitglieder.   Im   Juni   1916   wurde   die   Ablieferung   überschüssiger   Kartoffeln   verlangt   und   der   zulässige   tägliche   Verbrauch   auf   1   Pfund   für den   Kopf,   für   Schwerarbeiter auf      1   ½   Pfund   festgesetzt,   im   Juli eine   Ablieferungspflicht   für   Frühkartoffeln angeordnet.   Für den   Winter von    1916    auf    1917    sollte    der    tägliche    Verbrauch    des    einzelnen    1    Pfund    nicht    übersteigen,    Selbstversorgern    wurden    1    1/2    Pfund, Schwerarbeitern   bis   2   Pfund   zugestanden.   Die   Bestände   sollten   im   November   nachgeprüft   werden,   nach   dem   30.   November   niemand mehr   unmittelbar   vom   Erzeuger   einkaufen.   Von   Neujahr   1917   an   wurde   der   zulässige   tägliche   Verbrauch   auf   ¾   Pfund,   vom   10.   Februar an   gar   auf      ½   Pfund   herabgesetzt,   ein   Maß,   auf   das   man   nach   vorübergegangener   Erhöhung   am   11.   Juni   wieder   zurückgriff,   um   vom   3. Juli   an   nur   noch   2   Pfund   in   der   Woche   zu   gestatten.   Am   21.   Juni   wurde verlangt,   dass   jeder von   seinem   Vorräte   5   Pfund,   am   3.   Juli,   dass jeder    seinen    Überschuss    abgebe.    All    diese    Anordnungen    blieben    jedoch    mehr    oder    minder    auf    dem    Papier,    und    es    trafen    die Einschränkungen   kaum   andere   als   die,   die   sich   etwa   im   Herbst   nicht   ausreichend   versorgt   hatten.   Aushelfen   sollten   Steckrüben   und Dörrgemüse,     auch     wurde     eine     Brotzulage     gewährt.     Für     das     Pflanzen     im     Frühjahr     empfahl     man     das     Keimlings-     oder Stecklingsverfahren, und am 10. Mai stellte man das Aufgraben frisch gelegter Kartoffeln unter Strafe. Für   die   Winter   von   1917   auf   1918   und   1919   auf   1920   waren   Kartoffeln   nur   gegen   Bezugsschein   käuflich,   wobei   als   zulässig   auf   den   Kopf täglich   1   Pfund,   für   Selbstversorger   1   ½   Pfund   mit geringem   Aufschlag   für   Schwund   und Verderb   berechnet wurden.   Die Verordnungen traten   stets   spät   in   Kraft   und   meist   griff   die   berechnete   Zeit   soweit   vor,   dass   schon   vor   ihrem   Ablauf   junge   Kartoffeln   zu   haben   waren. Auch   wurden   die   Verordnungen   nicht   streng   gehandhabt.   Sonst   wäre,   da   Hülsenfrüchte   für   gewöhnliche   Sterbliche   unerreichbar blieben, schwerlich durchzukommen gewesen. Um   den   Fleischverbrauch   einzudämmen,   wurde   durch   Reichsverordnung   vom   28.   Oktober   1915   verboten,   an   zwei   Tagen   in   der   Woche Fleisch   zu   essen,   dann   am   10.   Juli   1916   der   wöchentliche   Verbrauch   des   einzelnen   auf   200   gr.   schieres   Fleisch   eingeschränkt.   Die Schlachter durften   nur gegen   Karte   (Reichsfleischkarte vom   2.   Oktober an) verkaufen und   mussten   Kundenlisten anlegen.   Das   Maß des Verbrauchs   wurde   im   Mai   1918   und   am   19.   August   sogar   auf   110   gr.   (mit   Knochen)   herabgesetzt.   Vom   August   bis   zum   Dezember   1918 wurde auf den   Karten   monatlich eine   Woche gestrichen.   Im   April   1917 gab es   Zusatzkarten.   Fleisch   zu   Dauerware   zu verarbeiten wurde den Schlachtern am 5. Dezember 1916 verboten. Auch Hühner und Wild wurden 1917 der Fleischkarte unterworfen. In   der   Sorge,   dass   für   menschliche   Nahrung   geeignetes   Getreide   verfuttert   werden   möchte,   wurde   im   Frühjahr   1915   ein   allgemeines Schweinemorden   angeordnet   und   wiederum   am   31.   Januar   1918   das   Abschlachten   aller   Schweine von   über   80   Pfund verlangt,   soweit   sie nicht etwa der   Zucht dienten.   Bei der ersten   Zwangsschlachtung soll viel   Fleisch verdorben sein, da die   üblichen   Erhaltungsmittel,   z.   B. Salpeter,   nicht   oder   nicht   in   ausreichender   Menge   zu   haben   waren.   Begünstigt   wurde   diesem   gegenüber   seit   dem   Herbst   1916   das Mästen    von    Schweinen    zum    eigenen    Bedarf    mit    dem    Zugeständnis    doppelter    Ration    (gleich    den    Selbstversorgern)    unter    nicht ängstlicher   Berechnung.   Auch   wurde   gleichzeitig   zwecks   gemeinsamer   Mästung   zu   Övelgünne   ein   Stall   eingerichtet   und   wurden Minderbemittelten    zum    Ankauf   eines    Schweins    Zuschüsse   von    Seiten   der    Stadt   gewährt.    Die    Erfahrungen,   die    man    mit   dieser gemeinsamen   Mästung   machte,   ließen von einer Wiederholung Abstand   nehmen.   Die   Erlaubnis zu   mästen und das gemästete   Schwein zu schlachten musste besonders erwirkt werden. Gegen Ausgang des August 1920 wurden die Fleischkarten abgeschafft. Die   Zahl   der   Schlachtungen   von   Rindern,   Schweinen,   Schafen   und   Ziegen   stieg   1915   erheblich   an,   um   seit   1916   (mit   Ausnahme   von Rindvieh   seit   1917)   beständig   zu   fallen.   Waren   1913   an   Schweinen   im   Schlachthaus   fast   10.000   geschlachtet   worden,   so   fiel   deren   Zahl 1918    auf    115    Stück.    Bei    den    Schlachtern    war    seit    1917    fast    nur    Rindfleisch    käuflich,    Schweinefleisch    überhaupt    nicht.    In bemerkenswerter    Weise    nahmen    seit    1915    die    Notschlachtungen    andauernd    zu.    Zuletzt    findet    sich    am    29.    August    1916    Fleisch angeboten,   wenn   man   Pferdefleisch   (wofür vom   7.   August   1918   an   Kundenlisten   eingeführt   wurden,   um   dem   Anstehen   der   Kundschaft vom   Abend   an   und   die   Nacht   hindurch   bis   zur   Öffnung   des   Ladens   ein   Ende   zu   machen)   nicht   in   Betracht   zieht.   Ausgenommen   vom Kartenzwang blieben allein Blut- und Grützwurst, die ohne Fett und Kartenfleisch bereitet waren. Sie wurden stets schlechter. Wild   und   Geflügel verschwanden vom   Markt.   Geschlachtete   Gänse   durften vom   25.   November   1917   an   nicht   mehr verkauft   werden   erst im   Herbst   1919   erschienen   sie   vereinzelt   wieder   auf   dem   Markt,   um   gegen   Meistgebot   verkauft   zu   werden.   Saatkrähen,   die   die   Stadt   in den Sommern von 1916 bis 1918 billig zum Kauf stellte, fanden wenig Anklang, sehr zu Unrecht. Selbst   der   Verbrauch   von   Fischen,   Salzwasser-   wie   Süßwasserfischen,   frischen   wie   geräucherten,   entging   nicht   der   Regelung   noch   dem Kartenzwang.   Für   Seefische   wurden   am   12.   Februar   und   nach   einiger   Unterbrechung   aufs   neue   am   17.   August   1917   Karten   eingeführt, für   geräucherte   Ware   aber   am   5.   Januar   1918   Kundenlisten   angelegt   und   einem   jeden   1/8   Pfund   zugebilligt,   bis   alle   Karten   beliefert waren.   Ehe   man wieder an die   Reihe   kam, vergingen Wochen.   Für   Süßwasserfische gab es   Karten und   Listen vom   1. April   1918 an; es war jedoch   bald   kein   Süßwasserfisch   sichtbar,   weder   Karpfen   noch   Brachsen   noch   Plötze.   Die   Fischkarten   fielen   noch   1918   weg.   Die   Preise für   Fische   waren   von   der   Mecklenburgischen   Fischhandelsgesellschaft   festgesetzt   und   unheimlich   in   die   Höhe   getrieben.   Das   Pfund Spickaal   sollte   man   1920   mit   über   20   M.   bezahlen,   Bücklinge   mit   4   bis   7   M.   und   darüber,   selten   unter   6   M.   Bis   in   den   Herbst   1916 wurden   Fische   in   der   Zeitung   zu   Kauf   angeboten,   Plötze   und   Dorsche   noch   im   Anfang   des   Dezembers,   Heringe   zuletzt   im   Januar   1917, Klippfische   am   2.   Februar   1917,   Dänische   Fischklöße   und   mariniertes   Muschelfleisch   (beides   kein   Genus)   im   Januar   und   Februar   1918. Am 5. Juni 1918 durfte man auf den Abschnitt von zwei Lebensmittelkarten einen gesalzenen Hering beziehen. Eierkarten   erschienen   im   Herbst   1916   auf   der   Bildfläche.   Sie   gewährten   das   Recht,   vom   21.   September   an   wöchentlich   ein   Ei   zu   kaufen. Karten erhielt   man,   Eier aber   nicht.   Danach wurden   besondere   Eierankäufer   zugelassen, die allein den   Ankauf   und den Verkauf   sollten vermitteln   dürfen;   denn   unmittelbarer   Kauf,   selbst   gegen   Karte,   wurde   am   7.   Mai   1917   für   straffällig   erklärt.   Der   Verkauf   sollte   nach Nummernfolge   geschehen.   Eine   bessere   Ordnung   trat   1918   ein,   wo   die   neuen   Karten   berechtigten   im   Jahre   30   Eier   zu   kaufen   und unmittelbar   von   den   Hühnerhaltern   beliefert   werden   konnten.   Die   gleiche   Ordnung   blieb   1919   und   1920,   nur   dass   im   letzten   Jahr   die Karten   auf   20   Eier   lauteten   und   der   Handel   freigegeben   wurde.   Damit   stiegen   die   Preise,   die   man   1916   noch   auf   15,   dann   auf   20,   1918 und   1919   auf   50,   1920   auf   60   Pfenninge   für   das   Ei   hatte   halten   wollen,   während   bis   1914   6   Pfennige   für   teuer   galt.   Im   Sommer   1923 musste man für ein Ei über 400 M. zahlen. Käse   finde   ich   zuletzt   am   14.   Juli   1916   in   der   Zeitung   angeboten,   Auslandskäse   auf   Limburger   Art   am   2.   Oktober   1917,   Quark   im   März 1918.   Außer   Quark,   der   gelegentlich   immer   zu   kaufen   blieb,   war   seit   dem   Winter   von   1916   auf   1917   Käse   irgendwelcher   Art   nicht   mehr zu haben und wurde auch auf Lebensmittelkarte nur selten und in ganz geringer Menge geliefert. Butter aus dem   Bereich des   9. Armeekorps auszuführen wurde schon am   21.   Oktober   1915 untersagt; für den   Bezug ausländischer   Butter wurden   vom   Oktober   bis   Dezember   dieses   Jahres   Karten   ausgegeben,   dann   zu   Sparsamkeit   im   Gebrauch   gemahnt.   Vom   27.   März   1916 an   gab   es   Butter   nur   auf   Karten,   zunächst   auf   Brotkarten,   seit   dem   11.   September   auf   Fettkarten,   erst   noch   ½   Pfund   wöchentlich, nachher   im   Juni   ¼      Pfund,   im   Juli   90 gr., danach   lange   Zeit   70 gr.,   im   Sommer   1919   100 gr.,   im   folgenden   Winter   bis   April   50 gr., danach bis   in   den   November,   wo   wieder   eine   Herabsetzung   erfolgt   ist,   100   gr.   Margarine   wurde   als   Butter   angerechnet   und   demselben   Zwang unterworfen;   später   wurden   für   sie   besondere   Karten   ausgegeben.   Sie   wurde   im   Sommer   1920   frei.   Schmalz   kam   erst   gegen   den   Herbst 1920 hier in den freien Handel, in Kiel mindestens ein Vierteljahr früher. Fett- und Milchkarten dauerten bis zum 3. April 1921. Schlagsahne   wurde   am   18.   August   1915   verboten.   Seit   dem   Jahr   1918   vertrieben   die   Konditoren   "Schlagsahne"   aus   Magermilch   mit Zusatz   von   Mehl   und   Zucker.   Seit   dem   Sommer   1916   war   Vollmilch   nur   auf   ärztliche   Verordnung   erhältlich.   Ein   Jahr   darauf   mussten auch für Magermilch Karten eingeführt werden, die zuerst zum Bezug von ¼ Liter, danach nur von 1/8 Liter täglich berechtigten. Der   Verbrauch   von   Zucker   war   seit   dem   14.   Mai   1916   geregelt,   zuerst   durch   Brotkarten,   darauf   durch   besondere   Karten,   die   in Kundenlisten   eingetragen   werden   mussten.   Anfangs   wurden   wöchentlich   250   gr.   verteilt,   doch   im   letzten   Vierteljahr   nur   noch   180   gr.; später   ging   man   auf   160   gr.,   vom   14.   April   1918   auf   135   gr.   zurück,   vom   August   bis   Oktober   1920   gab   es   500   gr.   im   Monat,   seither   bis   zur einstweiligen   Freigebung   des   Handels   (Oktober   1921;   neue   Zuckerkarten   für   das   Wirtschaftsjahr   1922/23)   700   gr.   im   Monat.   Hin   und wieder   wurde   Einmachzucker   besonders   bewilligt,   auch   waren   den   Zuckerkarten   gewöhnlich   Abschnitte   für   Süßstoff   angehängt. Honigkarten berechtigten und 1919 je ein Pfund zu kaufen, wurden aber nur teilweise beliefert. Die   zunehmende   Not   zwang   zu   immer   weiterer   Ausbildung   des   Kartenwesens,   so   dass   am   8.   November   1916   Haushaltungskarten,   im folgenden   Herbst   allgemeine   Lebensmittelkarten,   später   auch   Auslandsfettkarten   eingeführt   wurden,   Seifenkarten   dazu   seit   dem   27. Januar   1917,   nachdem   Seife seit dem   Frühling   bereits   nur gegen   Brotkarte zu   haben gewesen war.   Die unter   Leitung   Dr.   Königs stehende Abteilung   der   Polizei   für   Volksernährung   suchte   nach   Möglichkeiten,   Waren   zu   beschaffen,   um   sie   sporadisch   in   kleinen   Mengen   mit Bevorzugung der   Schwer- und   Schwerstarbeiter auf die   betreffenden   Karten abzugeben. Auf diese Weise wurden   Käse,   Speck,   Schmalz, Heringe,   Anschovis,   Sardinen,   Graupen,   Grieß,   Haferflocken,   Reis,   Mehl,   Kunsthonig   und   Marmelade   verteilt.   Als   das   Heranschaffen auch   des   von   den   zentralen   Gelieferten   auf   den   Wasserweg   verwiesen   und   dadurch   verzögert   und   in   Unordnung   gebracht   wurde, kaufte   auf   Königs   Vorschlag   die   übergeordnete   Kreisbehörde   zu   Warin   im   Frühjahr   1918   einen   eigenen   Eisenbahnwagen   an,   durfte   ihn aber nur kurze Zeit hindurch benutzen. Mit   einem   Weihnachtsessen   empfahl   sich   Wädekins   Hotel   zuletzt   1916   und   verhieß   für   4,50   M.      Spargelsuppe,   Karpfen,   Hasenbraten (oder   Fasan),   Käse   und   Eis.   Ein   Jahr   vorher   war   das   Gedeck   um   1   M.   billiger   gewesen   und   hatte   Ochsenschwanzsuppe,   Kalbsbraten, Karpfen,   Pute   und   Eis   inbegriffen.   Zu   Pfingsten   1916   konnte   man   für   3   M.   Krebssuppe,   Schlei   (oder   Omelette),   Hammelkeule   (oder Kalbsrücken),   Eis   (oder   Butter   und   Käse)   haben.   Zur   Kennzeichnung   der   Preissteigerung   und   der   Geldentwertung   diene,   dass   im Ratskeller das Mittagessen im Abonnement vom Sommer 1917 bis zum November 1920 gekostet hat:  1,65 M.,  1,75 M.,  2 M.,  2,50 M.,  3 M.,  4 M.,  5 M.,  6 M.,  7 M.,  8 M. Und   von   5   auf   8   M.   monatweise   steigend,   vorher   mit   größeren   Pausen.   Außer   Abonnement   stiegen   die   Preise   von   2   M.   auf      10   M. (Oktober   1920).   Es   gab   dafür   eine   Suppe,   Fleisch   oder   Fisch   und   Kartoffeln,   dazu   seit   1919   in   der   Regel   Salzgurke,   seltener   Kohl   oder Kompott,   einmal   in   der   Woche   zusammengekochtes   Essen,   hin   und   wieder   gesalzenen   Hering   mit   Bohnen   und   Kartoffeln,   in   der Eierzeit   Senfeier   (1   ½      oder   2)   und   Kartoffeln.   Die   knappste   Zeit   brachte   wöchentlich   zweimal   zusammengekochtes   Essen,   manchmal auch nur Kartoffeln und Kohl oder Meldekohl oder Spinat. Das blieb aber Ausnahme, und satt wurde man stets. Am   4.   Januar   1916   wurde   im   Siechenhause   eine   Volksküche,   am   l.   August   1916   eine   Mittelstandsküche   eröffnet,   wozu   die   Mittel   durch öffentliche   Sammlungen   aufgebracht   wurden   und   denen   unter   Oberleitung   von   Fräulein   Marie   Gahrtz   eine   größere   Anzahl   Damen selbstlos   vorstanden,   ohne   gerade   von   den   Gespeisten   Dank   zu   ernten.   Im   Januar   1918   trat   noch   eine   Abendküche   für   Erwachsene hinzu.    Geschlossen    wurden    diese    Küchen    1919.    Es    wurde    zusammengekochtes    Essen    in    möglichster    Abwechslung    gereicht, durchgehendes   sehr   schmackhaft.   Der   Liter   kostete   in   der   Volksküche   30   Pfennige,   in   der   Mittelstandsküche   dasselbe   erst   40,   danach 50 Pfennige. Das Abendessen kostete 20 Pfennige. Das   Bier wurde dünner   und dünner,   teurer   und   teurer.   Starkes   Bier   finde   ich   zuletzt am   8.   Juli   1916   inseriert,   Köstritzer   Schwarzbier am 8.   Dezember,   Grabower   Metbier   noch   am   7.   Oktober   1917,   Grabower   Porter   am   15.   April   1917.   Zeitweise   war   im   Sommer   1917   in   den Gastwirtschaften   Bier   nicht   zu   haben.   Die   Hansabrauerei   löste   sich   am   17.   November   1917   auf.   Das   Haus   der   Kochschen   Brauerei   ging Anfang   des   Sommers   für   120.000   M.   in   den   Besitz   der   Stadt   über,   die   eine   mit   Neueinrichtung   der   Brauerei   drohende   Verunstaltung nicht zulassen wollte.   Die   Hammersche   Brauerei wurde   im   Herbst   1920   in eine   Räucher- und   Marinieranstalt für   Fische umgestaltet.   So hat das Brauen in Wismar ein Ende genommen. Wein   von   Uhle   wurde   zuletzt   am   14.   Oktober   1916   ausgeboten,   in   Kramgeschäften   am   6   Januar   1917   Spirituosen   noch   am   18.   Februar 1917.   Zu   haben   waren   diese   Sachen   immer,   wenn   man   die   geforderten   zusehens   steigenden   Preise   anlegen   wollte.   Im   Sommer   1918   war ein sehr trinkbarer Bocksbeutel noch für 6 M. zu kaufen. Kaffee,   Tee   und   Kakao   waren   zu   Ende   Juni   1917   fast   völlig   aus   dem   Verkehr   verschwunden.   Seit   dem   8.   November   wurde   Kaffee-Ersatz auf   Karten verteilt und   im   Herbst   1916 und   1917 aufgefordert, Weißdornfrüchte zur   Herstellung davon zu sammeln.   Erst   1919 erschienen Kaffee und Tee wieder. Tabak,    Zigarren    und    Zigaretten    wurden    knapp    und    teuer,    fehlten    aber    nie    ganz.    Viele    Raucher    griffen    wieder    zur    vorher    fast verschwundenen   Pfeife   und   stopften   sie   mit   allerhand   Kraut.   Im   Allgemeinen   hat   das   Rauchen   durch   die   Gewöhnung   der   Leute   an   der Front entschieden zugenommen. Der Wochenmarkt verödete und wird schwerlich je wieder so bezogen werden, wie es bis 1914 der Fall war. Im   Ganzen   fügte   man   sich   willig   in   die   Einschränkungen   und   Entbehrungen,   doch   konnte   es   nicht   ausbleiben,   dass   nicht   je   länger   je mehr ein   Schleichhandel   mit   Lebensmitteln um sich griff, der   namentlich von den   kleinen   Leuten auf dem   Lande und den   Erbpächtern gespeist   wurde   und   bei   dessen   Weiterverbreitung   kaum   jemand   eine   Gelegenheit,   seine   Lebensführung   auch   zu   hohen   Preisen   zu verbessern,   von   sich   wies.   Je   enger   das   Netz   gezogen   wurde,   desto   mehr   ging   durch   seine   Maschen.   Hinzu   kam   ein   Schwindel   mit Karten durch ungetreue Angestellte und durch angebliches Verlieren.   Das   nötigte zu wiederholten Volkszählungen   (1.   November   1916,   1. Juni   und 5. Dezember 1917). Als   nach   einem   schlechten   Winter   mit   wenig   Brot   und   Kartoffeln,   mit   Steckrüben   und   Dörrgemüse,   die   Einschränkungen   im   Sommer trotz   Erhöhung   der   Fleischration   auf   das   äußerste   angespannt   waren,   brach   nach   dem   von   Rostock   und   Stettin   gegebenen   Beispiel   am 4.   Juli   1918,   einem   Wochenmarktstag,   Auflauf   und   Lärm   los.   In   der   am   Abend   vorher   ausgegebenen   Zeitung   hatte   das   Polizeiamt   für Volksernährung   bekannt   gemacht,   dass   wöchentlich   auf   den   Kopf   nur   noch   2   Pfund   Kartoffeln   ausgegeben   werden   könnten.   In   der Frühe   waren   die   Marktstände   von   Frauen   umdrängt,   gegen   10   Uhr   fiel   ein   Gelaufe   von   jungen   Frauen   auf   und   waren   die   Bäckerläden umlagert, wo auf   behördliche Anordnung, wie es   hieß,   Brote ohne   Karten verkauft wurden. Zwar sollte   jeder   nur ein   Brot erhalten, doch wurde   behauptet,   dass   einzelne   deren   4,   5,   6,   z.   T.   ohne   zu   zahlen,   zusammengeholt   und   dass   Frauen   Mehl   in   der   Schürze   davon getragen   hätten.   Die   Läden,   die   zwischen   10   und   11   Uhr   durch   Militärposten   gesichert   wurden,   waren   bald   geräumt.   Behauptungen, dass   Schaufenster   zertrümmert   seien,   haben   sich   als   unwahr   herausgestellt.   —   Das   Militär   wurde   auf   dem   Markt   zusammengezogen und   der   Belagerungszustand   erklärt.   Am   Abend   kam   es   noch   zu   Ansammlungen   und   zu   Gejohle.   Frauen,   halbwüchsige   Burschen   und Schuljugend   bildeten   den   Hauptbestandteil   der   Menge.   Auch   an   den   folgenden   Tagen   waren   die   Straßen   belebter   als   gewöhnlich.   Zusatzbrotkarten   wurden   in   der   Woche   vom   8.   bis   zum   14.   Juli   ausgegeben,   am   20.   Juli   musste   gewarnt   werden   die   Landwagen   zu bestürmen.   Ungeschoren   waren   die   Schlachter   geblieben,   die   allerdings   damals   wöchentlich   500   gr.   Fleisch   pro   Kopf   abgeben   durften. Am 6. Juli wurden Verhaftungen vorgenommen und es folgten Bestrafungen wegen Landfriedensbruch. Ebenso schlimm wie um die   Ernährung sollte es   im   Laufe der   Zeit um die   Kleidung stehen.   Noch   im   Januar   1915   konnte   man   mit gutem Erfolg   warme   Unterkleidung   für   das   Heer   sammeln:   am   8.   Juni   darauf   beschlagnahmte   man   die   Wolle.   Der   Handel   mit   Webwaren blieb   zunächst   frei,   und   als   er   im   nächsten   Jahr   gebunden   werden   sollte,   durfte   bis   zum   1.   August   noch   ein   Fünftel   der   Vorräte   frei verkauft werden,   Stücke   bis zu   2   Metern, die von dem am   1. August eingeführten   Bezugsscheinzwang ausgenommen waren,   bis zum   16. August.   Bezugsscheine   wurden   nur   bei   nachgewiesenem   Bedarf   erteilt.   Genügen   sollten   nach   den   1918   aufgestellten   Richtlinien   für einen   Mann   ein   Werktags-   und   ein   Sonntagsanzug,   ein   Überzieher   oder   Umhang,   zwei   Arbeitskittel,   zwei   Westen,   zwei   Arbeitshosen, sechs   Taschentücher,   drei   Über-,   drei   Unter-   und   zwei   Nachthemden   drei   Unterhosen   und   vier   paar   Strümpfe;   entsprechend   für Frauen.    Am    3.    März    1917    wurde    aufgefordert,    alte    Kleidung    und    altes    Schuhzeug    abzugeben,    und    eine    Annahmestelle    dafür eingerichtet,   die   allein   berechtigt   war   alte   Kleidung   gewerbsmäßig   zu   kaufen.   Bezahlt   wurde   nach   Schätzung   zu   Trödlerpreisen.   Aufs Neue   wurde   zur   Abgabe   aufgefordert   am   15.   August   1917   und   am   20.   Februar   und   am   1.   Mai   1918.   Am   1.   August   1918   waren   568   Anzüge eingegangen,   während   der   Kommunalverband   868   liefern   sollte.   Die   Drohung   mit   einer   Bestandsaufnahme,   mit   der   nur   die   freiwillig Abliefernden    verschont    werden    sollten,    blieb    Drohung.    Gebrauchte    Wäsche    durfte    vom    1.    September    1917    an    nur    noch    an    die Annahmestelle   verkauft   werden.   Von   Enteignung   der   Wäsche   in   Gastwirtschaften   wurde   am   23.   Oktober   1917   vorläufig   abgesehen, dagegen   am   22.   April   1918   Tischwäsche   in   Gewerbebetrieben   beschlagnahmt.   Das   Auflegen   von   Tischtüchern   und   Mundtüchern   in Gastwirtschaften   wurde   verboten,   ebenso   Vorhänge   außer   in   Privatwohnungen.   Selbst   Feudel   und   Wischtücher   waren   seit   dem   8. August 1916 ohne Bezugschein nicht mehr käuflich. Burth schloss sein Teppichgeschäft wegen Warenmangels am 1. Januar 1918. Erleichterungen   in   Betreff   der   Bezugscheine   traten   am   27.   November   1918   ein,   und   am   8.   Dezember   wurde   die   am   1.   Februar   1916 verhängte   Beschlagnahme   von   Webwaren,   am   10.   die   der   Tischwäsche   aufgehoben.   Die   Annahmestelle   für   getragene   Kleidung   aber wurde am 18. Dezember aufs Neue eröffnet. Seit   dem   22.   Juli   1916   konnten   Schuster   Leder   nur   noch   auf   Karten   beziehen;   am.   8.   August   wurde   das   Leder   beschlagnahmt;   am   1. März    1917    folgte   eine    Bestandsaufnahme   des    Schuhwerks    in   den    Geschäften.    Am    1.    Juni    1917   wurde    unbrauchbares    Schuhwerk eingesammelt,   nachdem   schon   vorher   zur   Abgabe   von   altem   aufgefordert   war.   Treibriemen   wurden   am   15.   März   1917,   alte   Handschuhe am   22.   Juni   beschlagnahmt.   Hausschuhe   aus   Lappenwerk   wurden   in   der   Kochschen   Stiftung   angefertigt.   Vom   1.   Februar   bis   zum   13. April   1916 wirkte ein   Gummischuster   in der   Hege.   Bald wurden die verschiedensten   Sohlenschoner angepriesen und   Dreifüße dazu, um jedem   das   Unterschlagen   selbst   zu   ermöglichen.   Hiernach   war   solches   Begehr,   dass   sie   zeitweise   völlig   ausverkauft   waren.   Im   Sommer 1917 wurde barfuss gehen Mode und blieb es Jahre lang für Kinder. Erwachsene sah man sehr selten barfuss. Die Preise für Kleidung und Schuhzeug stiegen namentlich seit dem Dezember 1919 ins Ungemessene. Die   Zufuhr   von   Kohlen,   die   statt   aus   England   aus   Westfalen   und   Oberschlesien   bezogen   werden   mussten,   wurde   seit   den   letzten Monaten   von   1916   beschränkt   und   zeitweise   sogar   in   Frage   gestellt.   Dass   aus   diesem   Grunde   der   Unterricht   in   den   Schulen   teils ausfallen,   teils   zusammengelegt   werden   musste,   ist   schon   gesagt   worden.   Es   wurde   aber   auch   seit   1917   der   Bezug   der   privaten   durch Karten   geregelt   und   so   eingeschränkt,   dass   man   auf   Holz   und   Torf   zurückgreifen   musste.   Die   Stadt   kaufte   Brennholz   ein,   um   es   billig abzugeben   und   ließ   nach   etwa   dreißigjähriger   Unterbrechung   wieder   Torf   stechen.   Buchenholz,   ofenfertig,   kostete   im   Handel   im Frühjahr 1918 der Zentner 2,50 M., im Herbst 4 und 5 M., im Herbste darauf 9 und 10 M., im Frühjahr 1920 18 M.  und mehr. Gleich   empfindlich   wie   für   die   Heizung   machte   sich   die   Kohlenknappheit   für   die   Beleuchtung   geltend,   noch   dazu   da   die   Gasanstalt ungeeignete   Kohle   vergasen   musste.   Mehr   und   mehr   war   aber   jeder   einzelne   auf   Gas   zum   Kochen   und   auf   Gas   und   elektrischen   Strom für die   Beleuchtung angewiesen.   Die   Zufuhr von   Galizischem und   Rumänischem   Petroleum, schlecht wie es war, deckte   nur einen ganz geringen   Teil   des   Bedarfs.   Im   Herbst   1915   glaubte   man   noch   durch   Herabsetzung   des   Preises   für   Spiritus   und   Empfehlung   von Spiritusbrennern   helfen   zu   können,   Ende   Mai   1916   jedoch war   Spiritus   zu   häuslichen   Zwecken auch schon   nur gegen   Bezugsmarken   zu kaufen,   wie   Petroleum   schon   seit   längerem.   Blieben   Karbidlampen,   die   am   17.   November   1915   empfohlen   wurden,   und   das   Gas-   und Elektrizitätswerk   wurden   wie   wir   gesehen   haben,   immer   mehr   in   Anspruch   genommen.   Da   hieß   es   nun   sparen,   wo   und   wie   es   möglich war.   Die   Straßenbeleuchtung   wurde   demnach   seit   1915   mehr   und   mehr   eingeschränkt   und   1917   fast   eingestellt.   Seit   dem   Winter   1916 staute   man   den   Lichtverbrauch   in   Kontoren   und   Läden   zurück   und   schrieb   auch   den   Privaten   vor,   wie   viel   sie   höchstens   verbrauchen durften,   unter   Androhung   der   Lichtentziehung   bei   stärkerer   Überschreitung   der   Grenzen;   1918   wurden   Sperrstunden   vorgeschrieben, in   denen   insbesondere   kein   Gas,   zeitweise   auch   kein   Strom   verabfolgt   wurde.   Läden   durften   1916   noch   bis   7   Uhr,   1917   nur   noch   bis   5 Uhr   geöffnet   bleiben.   Auch   eine   Polizeistunde   kam.   Sie   wurde   1915   auf   12   Uhr,   im   April   1917   auf   11:30   Uhr,   im   Herbst   auf   10:30   Uhr festgesetzt,   um   erst   für   den   Sommer   1918   wieder   auf   11:30   Uhr   hinausgerückt   zu   werden.   Das   Tageslicht   bester   auszunutzen,   wurden   in den Sommermonaten von 1916 bis 1918 die Uhren um eine Stunde vorgestellt (Sommerzeit). Dass das   herbstliche   Umgehen der   Kinder   mit   Laternen aufhörte, verstand sich   bei dem   Mangel an   Lichtern von selbst   und wurde sehr überflüssigerweise am 3. Oktober  1916 verboten. Zum Ende des Sommers 1920 lebte die alte Sitte wieder auf. Im   Winter   von   1919   auf   1920   blieb   der   elektrische   Strom   mehrfach   und   auch   bis   zu   der   Dauer   mehrerer   Tage   aus,   weil   im   Werk Maschinenschäden   entstanden   waren   und   nicht   so   bald   beseitigt   werden   konnten.   Auch   aus   diesem   Anlass   mussten   Sperrstunden eingelegt werden. Fast ebenso störend wie das Versagen der Beleuchtung selbst war die Ungewissheit über die Dauer. An   alten   Sachen   wurde   das   irgend   Denkbare   gesammelt:   Gummi   schon   am   27.   April   1915   und   wieder   im   Oktober   1916,   wertlose Wertsachen   am   11.   April   1915   (von   den   Guttemplern,   um   Geld   zu   gewinnen),   zinnhaltige   Gegenstände   am   28.   Juni   1916,   Zinn,   Gummi, Papier,   Teppiche   am   27.   August   1917,   Flaschen   am   13.   September,   Konservendosen,   Zink,   Blei,   Eisen,   Korke,   Papier   und   Flaschen   am   13. Mai   1918.   Zeitungspapier   wurde   zu   Anfang   Februar   1916   für   die   Heeresverwaltung,   Altpapier   vom   21.   August   an   gesammelt.   Auch   auf alte Akten und Geschäftspapiere griff man zurück, und es wanderten davon bis 1918 erhebliche Mengen in die Papierfabriken. Am   8.   August   1917   wurde   verboten,   Mund-   und   Tischtücher   aus   Papier   herzustellen.   Die   Wismarsche   Zeitung   hatte   im   Mai   1916 ausnahmsweise   noch   Beilagen   in   Doppelblättern,   ein   Jahr   darauf   noch   Blattbeilagen,   seit   dem   Juli   1917   wurden   halbseitige   Beilagen   die Regel, fehlten auch ganz im Juli 1916. Bei   Kupfer,   Zinn,   Bronze,   Messing,   Nickel   und   Aluminium   ging   man,   weil   der   Bedarf   des   Heeres   nicht   anders   zu   decken   war,   zu Beschlagnahme   und   Enteignung   der   daraus   angefertigten   Gebrauchsgegenstände   über.   Die   Ablieferung   begann   für   Wismar   am   17. Januar   1916   und sollte   bis   zum   31.   März vollzogen sein,   nach   neuen verschärften   Listen vom   30.   April   1917   bis   zum   1.   Juni   und wiederum im   Frühjahr   1918.   Für   freiwillig   bis   zum   31.   August   1917   abgelieferte   Gegenstände   wurden   Prämien   verheißen.   Bierglasdeckel   von   Zinn wurden   am   20.   November   1916   enteignet   und   sollten   bis   zum   5.   März   1917   abgeliefert   werden.   Die   Prospektpfeifen   der   Orgeln   wurden am   21.   März   1917   enteignet,   sind   auch   bald   darauf   abgeliefert   worden.   Die   Glocken   wurden   zweimal   durchgemustert,   das   erste   Mal   in Bezug   auf   geschichtlichen   und   Kunstwert,   das   andere   Mal   auch   nach   ihrem   Klang.   Schließlich   waren   von   den   26   Wismarschen Glocken   10   zum   Abnehmen   bestimmt,   und   es   wurde   am   2.   September   1918   ein   Abschiedsgeläut   veranstaltet.   Doch   blieben   mit Ausnahme einer   Glocke von   St.   Laurentius, die gleich zuerst weggenommen war, alle an   Ort und   Stelle, weil es an Arbeitskräften   fehlte, um sie von den Türmen   zu   bringen.   Dagegen wurde   in   Folge der   Enteignungen des   Dachkupfers vom   22.   März   und dem   6.   Juni   1917 das Kupferdach von St. Georgen abgedeckt und durch ein Schieferdach ersetzt. Die Wasserkunst behielt ihr Kupferdach. Das   Gold   suchte   die   Reichsbank   zur   Stärkung   ihres   Bestandes   auf   alle   Weise   an   sich   zu   ziehen.   Es   wurden   Ankaufsstellen   für Goldsachen   errichtet,   die   in   Wismar   am   3.   Juli   1916   in   der   Kochschen   Stiftung,   dann vom   8.   September   an   im   Rathaus   war;   sie   blieb   bis zum   30.   Juni   1918   bestehen.   Medaillen   und   Gedenkblätter   wurden   ausgeteilt,   und   statt   der   abgelieferten   goldenen   Uhrketten   konnte man eiserne   kaufen   (100 wurden gekauft).   Die   in Wismar abgelieferten   Goldsachen wurden auf   24.086,32   M.   bewertet   (einbegriffen die Ablieferungen   der   Umgegend,   außer   Neukloster   und   Warin).   Kluge   Leute,   denen   ihr   Eigennutz   über   dem   des   Vaterlandes   stand, behielten   natürlich   ihr   Gold.   Die   Goldschmiede   begannen   im   September   1917   Silber zu   kaufen, die   Goldankaufsstellen aber zahlten seit dem   27.   Januar   1916   für   das   Gramm   Silber   13   Pfenninge.   Es   wurden   für   890   M.   Silbersachen   eingeliefert.   Im   Anfang   von   1920   wurde   für das   Markstück   bis   zu   11   M.   bezahlt,   dann   folgte   im   Mai   ein   Abschlag   bis   auf   4   M.   Nur   hielt   die   Besserung   nicht   an.   Das   harte   Geld verschwand   bald   völlig   aus   dem   Verkehr   und,   da   die   Notenpresse   dem   Bedarf   nicht   entsprechen   konnte,   herrschte   zeitweilig   bei   stets zunehmendem Bedarf an Zahlungsmitteln empfindlicher Mangel an Geld. Wohnungen   waren   in   den   ersten   Kriegsjahren   reichlich   angeboten,   knapper   wurden   sie   schon   im   Verlauf   von   1917.   Am   30.   Januar   1918 verbot das stellvertretende   Generalkommando   für den   Nachweis von   Wohnungen   Belohnungen auszuloben, am   5.   Februar   forderte das Stadtbauamt   aus   leer   stehenden   Wohnungen   anzumelden   und   wiederholte   diese   Aufforderung   am   23.   November,   nachdem   im   Mai eine   Zählung   vorgenommen   war.   Es   hatte   nicht   alle   Wohnungssuchenden   bis   zum   1.   April   unterbringen   können.   Am   12.   März   wurde aufgefordert,   geeignete   Räume   zu   Wohnungen   auszubauen,   und   am   20.   August   wurden   von   Stadt   wegen   Zuschuss   zu   diesem   Zwecke bewilligt.   Dennoch   konnte   der   Bedarf   an   Wohnungen   nicht   gedeckt   werden,   zumal   früher   angeführte   Umstände   die   Bautätigkeit hemmten,   ja   sie   zu   unterbinden   drohten.   Zudem   schwoll   die   Zahl   der   Eheschließungen   außerordentlich   an,   strömten   die   Techniker   in Scharen   herbei   und   mussten auch   baltische   Flüchtlinge   untergebracht werden.   Zwar veranlasste die   Not   manchen   zu vermieten   und   zu untervermieten,   was   er   irgend   entbehren   konnte.   Es   musste   aber   außerdem   mancher   Inhaber   einer   größeren   Wohnung   gezwungen werden   Zimmer   abzugeben,   die   von   besonderen   Kommissionen   als   ihm   entbehrlich   aufgespürt   wurden.   Ein   Ende   der   Wohnungsnöte ist   noch   nicht   abzusehen.   Ein   Mietseinigungsamt   war   schon   am   6.   August   1918   eingerichtet   worden,   ein   Wohnungsamt   folgte   bald, ohne dessen Zustimmung Mietverhältnisse nicht neu eingegangen noch gelöst werden durften. Der   Sammlungen   war   kein   Ende,   die   Opferwilligkeit   der   Reicheren   und   der   Wohlhabenden   aber   auch   groß.   Der   Kriegshilfsverein sammelte   im   August   1914   45.100   M.,   im   Januar   1915   35.000   M.;   im   Spätherbst   1918   hatte er   130.000   M. ausgegeben, alles   in gutem   Gelde. Für   Kriegsgefangene wurden am   10.   Juni   1915   6.850 zusammengebracht.   Daneben   liefen   Sammlungen für   Kriegsbeschädigte   (im ganzen Land   bis   zum   21.   April   1918   974.000   M.,   für   Liebesgaben,   Weihnachtsspenden,   die   Ostpreußen,   Hinterbliebene   von   Gefallenen, Unterseebootsspende,   Soldatenheime,   Ludendorfsspende.   Es   sammelten   Banken   und   Zeitungen,   aber   auch   Schüler   und   Schülerinnen Haus   für   Haus   und   für   besondere   Zwecke   auch   auf   den   Straßen   mit   bestem   Erfolg,   wie   überall   in   größeren   Ortschaften   wurde   nach dem     in     Wien     gegebenen     Beispiel     ein     Denkzeichen     genagelt,     um     auch     auf     diese     Weise     Gelder     für     Heeresangehörige zusammenzubringen.   Man   wählte   dazu   das   alte   Stadtwappen   (das   seitdem   auch   der   Rathausflagge   einverleibt   und   den   Brotkarten aufgedruckt   wurde).   Die   Nagelung   begann   am   17.   Oktober   1915   und   endete   nach   mehrfachen   Unterbrechungen   am   27.   Januar   1916.   Die Hoffnung, bei siegreicher Heimkehr der Truppen die Lücken füllen zu können, hat sich zerschlagen. Damen   beteiligten   sich   nicht   allein,   wie   früher   erwähnt   ist,   mit   Eifer   an   dem   Betrieb   der   Volks-   und   Mittelstandsküche,   sondern richteten   auch   eine   Kriegsschreibstube   ein   (namentlich   für   den   Verkehr   mit   Gefangenen)   und   betätigten   sich   in   Anfertigung   von Bedürfnissen   der   Heeresleitung,   in   Beschaffung   und   Leitung   von   Näh-   und   Strickgelegenheit   und   im   Betrieb   des   Soldatenheims,   der Tätigkeit der Hilfsschwestern in den Lazaretten nicht zu vergessen. Den   Gegensatz   zu   dieser   Opferwilligkeit   bildeten   die   Kriegsgewinnler,   Leute,   die   es   für   recht   und   schicklich   ansahen,   aus   der   Notlage des Vaterlandes und des Volkes ihre Beutel zu füllen. Bei ihrer manchem hat es gescheffelt. Bis   in   den   Sommer   1918   hoffte   man   auf   einen   guten   Ausgang   des   schweren   Krieges.   Als   dann   im   Westen   der   Rückzug   angetreten werden    musste,    noch    auf    einen    leidlichen    Friedensschluss.    Da    machte    uns    die    von    Kiel    aus    im    November    um    sich    greifende Umwälzung   wehrlos,   indem   ein   großer   Teil   der   Truppen   die   Waffen   fortwarf,   den   Offizieren   den   Gehorsam   aufkündigte   und   kopflos zurückflutete. Am   Abend   des   17.   Novembers   bildete   sich,   wie   es   überall   im   Reich   geschah,   auch   in   Wismar   ein   Arbeiter-   und   Soldatenrat,   um insbesondere   die   Verwaltung   der   Polizei   und   der   Lebensmittelverteilung   in   die   Hand   zu   nehmen   und   den   Achtstundenarbeitstag einzuführen.   Am   8.   morgens   sah   die   Stadt   einen   Demonstrationszug   von   Militär   und   Arbeitern.   Auf   dem   Balkon   des   Rathauses   wurde eine   rote   Fahne   befestigt   und   Genosse   Felbel   redete   von   da   auf   zu   der   auf   dem   Markt   versammelten   nicht   eben   großen   Menge.   Die Ruhe   wurde,   da   es   zum   Glück   Alkohol   nicht   gab,   nicht   weiter   gestört   und   vom   folgenden   Tag   an   wieder   gearbeitet.   Das   Verhältnis zwischen   dem   Rat   und   dem   Arbeiter-   und   Soldatenrat   blieb   rechtlich   unklar.   Tatsächlich   duckte   sich   der   Rat,   wogegen   der   Arbeiter- und    Soldatenrat    alle    Behörden    der    Stadt    für    sich    unterstellt,    jedoch    nach    wie    vor    für    die    Einwohner    zuständig    erklärte (Bekanntmachung   ohne   Datum   in   der   Wismarschen   Zeitung   vom   9.   November).   Anerkannt   hat   der   Rat   seine   Unterstellung   unter   die neue Obrigkeit nicht. Die   Fürsten   wurden,   vom   Kaiser   anfangend,   einer   nach   dem   anderen   gestürzt.   Unser   Großherzog   verzichtete   am   14.   November   auf seinen   Thron   und   ging   für   längere   Zeit   aus   dem   Land.   Dessen   Regierung   blieb   in   den   Händen   des   wenige   Tage   zuvor   aus   den demokratischen   und   sozialdemokratischen   Reichstagsabgeordneten   des   Landes   gebildeten   Ministeriums   mit   Dr.   Wendorff   an   der Spitze. Die   Bürger   ihrerseits   versuchten   zwar   keinen   Widerstand   zu   leisten,   aber   sich   doch   einigen   Einfluss   zu   sichern   und   bildeten   zu   dem Zweck   einen   Volksrat,   der   sich   am   25.   November   in   der   Zeitung   vorstellte,   was   dieser   gewirkt   haben   mag,   ist   nicht   in   die   Öffentlichkeit gedrungen. Ebenso ging es mit dem ungefähr gleichzeitig gebildeten Angestellten-Rat. Der    Arbeiter-    und    Soldaten-Rat   entfaltete    in   der    nächsten    Zeit   eine    rege   Tätigkeit    im    Erlassen   scharfer    Bekanntmachungen    zu Aufrechterhaltung   von   Ruhe   und   Sicherheit   und   in   Lebensmittelschnüffeleien.   Es   glückte   ihm   auch   bei   zwei   oder   drei   Bürgern   einige Vorräte zu entdecken. Die   im   Land   gebildete   Zentralstelle   der   Arbeiter-   und   Soldaten-   Räte   bedrohte   am   21.   November   wildernde   mit   Erschießen,   das Mitregieren von Bürgern und Bauern lehnte sie ab (November 29 und 30). Wurzeln   zu   fassen   vermochten   die   Arbeiter-   und   Soldaten-Räte   jedoch   nicht.   An   das   Fortbestehen   des   Wismarschen   erinnern   noch einige   Bekanntmachungen   aus   der   ersten   Hälfte   des   Januars   1919.   In   der   Nacht   vom   4.   auf   den   5.   Februar   ließ   Major   v.   Bastewitz mehrere   seiner   Mitglieder   verhaften,   um   zu   verhindern,   dass   den   Kommunisten   in   Bremen   von   hier   aus   Hilfe   würde.   Dafür   wurde   er selbst    am    folgenden    Morgen    arg    misshandelt    und    nebst    einigen    anderen    Offizieren    vom    Arbeiter-    und    Soldaten-Rat    in    Haft genommen.   Gewalttätigkeiten   in   Rosenthal,   wo   man   nach   geflüchteten   Offizieren   suchte,   schlossen   sich   an.   Es   verschwand   aber   der Soldaten-Rat,   als   am   letzten   Februar   die   in   Wismar   stehenden   Truppenteile   aufgelöst   wurden,   und   im   Anschluss   daran   auch   der Arbeiter-Rat, der am   2.   März   bekanntmachte, dass er seine   Bürotätigkeit schließe,   jedoch   bestehen   bleiben   und   nach   Bedarf   Sitzungen abhalten   werde.   In   Weimar   wurde   der   Arbeiter-   und   Soldaten-Rat   am   21.   Februar   beim   Zusammentritt   der   Nationalversammlung aufgelöst und hat sich wohl nur an wenig Orten länger hingefristet. Seitens der   Kirche wurden, da die   Umwälzung die Trennung von   Kirche   und   Staat auf   ihr   Programm setzte,   um darauf gerüstet   zu sein, Kirchenvertretungen   gebildet   und   demzufolge   in   Wismar   am   25.   und   26.   November   Vertreter   der   Gemeinden   gewählt   und   am   8. Dezember die Kirchengemeinbeiräte eingeführt. — Die Beamten schlossen sich zu einem Beamtenbund zusammen. Die   während   des   Krieges   hinausgeschobenen   Wahlen   zur   Erneuerung   des   Bürgerausschusses   fanden   auf   völlig   neuer   Grundlage   und für den ganzen Ausschuss am   29.   Dezember statt, wählen   konnte   jeder   Mecklenburgische   Staatsangehörige, der sich seit drei   Monaten, und   jeder   Reichsdeutsche,   der   sich   seit   sechs   Monaten   dauernd   in   der   Stadt   aufgehalten   hatte,   mochte   er   männlichen   oder   weiblichen Geschlechts sein, wenn er nur 20 Jahre alt war. Unter gleichen Bedingungen war jeder wählbar. Der   so   gewählte   Ausschuss   sah   wesentlich   anders   aus   als   der   frühere,   allein   durch   das   Erscheinen   von   Frauen.   Die   Sozialdemokraten hatten   die   entschiedene   Mehrheit.   Nur   die   Zahl   der   Mitglieder   war   die   alte   geblieben.   Schon   in   der   zweiten   Sitzung   (am   4.   Februar) wurde   beschlossen   öffentlich   zu   tagen   und   der   Rat   ersucht   bis   zur   Verrichtung   des   dafür   in   Aussicht   genommenen   Audienzsaales   die Aula der Großen Stadtschule dazu zur Verfügung zu stellen. Am 25. Juli siedelte man in den Audienzsaal über. Ein von der Verfassungskommission am   1.   April vorgelegter   Entwurf einer   neuen   Stadtverfassung wurde am   6.   Mai genehmigt   und dem Rat   als   Entwurf   mit   dem   Ersuchen   überreicht   ihm   zuzustimmen   und   die   Bestätigung   des   Ministeriums   zu   erwirken.   Der   Rat   sah   den Entwurf   für   unfertig   an   und   schlug   vor   die   Beschlussfassung   bis   zur   Fertigstellung   der   Städteordnung   des   Landes   auszusetzen.   Bald darauf   aber   hatte   die   Mehrheit   des   Bürgerausschusses   die   Ansicht   gewonnen,   dass   der   Ausschuss   allein   das   Recht   habe   über   die Verfassung   zu   beschließen   und   dass   nach   dem   Entwurf   der   Landesverfassung   die   ministerielle   Genehmigung   nicht   mehr   nötig   sei. Demgemäß   beschloss er am   27.   Mai, dass die von   ihm angenommene   Stadtverfassung am   15.   Juni   in   Kraft treten solle, und ersuchte den Rat   sie   zu   veröffentlichen.   Dieser   wollte   sein   Mitgesetzgebungsrecht   nicht   aufgeben,   glaubte   auch   nach   wie   vor   die   Bestätigung   des Ministeriums unentbehrlich und   legte, da die   neue Verfassung seines   Dafürhaltens   nicht ausgereift war, am   2.   Juni einen   Gegenentwurf vor.   Als   nun   der   Rat   die   Verfassung   nicht   bekanntmachte,   vielmehr   über   den   Streitpunkt   die   Entscheidung   des   Ministeriums   anrief, sammelte   sich   am   Nachmittag   des   17.   Juni   vor   dem   Rathaus   eine   Menge   von   einigen   Hundert,   drang   z.   T.   in   das   Rathaus   und   forderte die   sofortige   Veröffentlichung   der   Verfassung.   Die   Auseinandersetzung   des   Bürgermeisters   Dr.   Wildfang   über   die   Stellung   des   Rates fand   kein   Gehör,   und   nunmehr   erklärte   der   Rat,   der   beim   Ministerium   eine   Stütze   zu   finden   erwarten   mochte,   einst-weilen   vom   Amt zurücktreten    zu    wollen.    Der    Bürgerausschuss    war    einverstanden    und    bildete    unter    Billigung    des    Ministeriums    aus    zehn    seiner Mitglieder   einen   stellvertretenden   Rat,   der   die   Geschäfte   sofort   übernahm   und   am   20.   Juni   die   vom   Bürgerausschuss   beschlossene Verfassung   der   Seestadt   Wismar   bekanntmachte.   Am   25.   Juni   folgte   eine   Ortssatzung   über   die   Neuwahl   des   Rates.   Er   sollte   aus besoldeten    und    unbesoldeten    Mitgliedern    bestehen    und   die   ersten   auf    zehn,   die   anderen   auf    fünf    Jahre   gewählt   werden.    Den Bürgermeister   sollte   die   ganze   Bürgerschaft   aus   drei   vom   Bürgerausschuss   vorgeschlagenen   Bewerbern,   die   übrigen   Ratsmitglieder   der Bürgerausschuss   wählen.   Am   20.   Juli   wurde   Rechtsanwalt   Raspe   zum   Bürgermeister   gewählt   und   am   29.   Juli   in   sein   Amt   eingeführt. Die   Wahl   der   übrigen   Ratsmitglieder   fand   am   25.   Juli   statt,   am   31.   Juli   trat   der   stellvertretende   Rat   ab   und   am   1.   August   der   neue   Rat sein   Amt   an.   Er   bestand   außer   dem   Bürgermeister   aus   vier   besoldeten   (davon   einem   Rechtsgelehrten)   und   sechs   nicht   besoldeten Mitgliedern,   doch   hat   sich   seine   Zusammensetzung   im   Laufe   weniger   Jahre   unter   Änderung   der   Verfassung   dahin   geändert,   dass   1923 neben   dem   Bürgermeister   fünf   (neuerdings   vier,   wovon   2   Juristen)   besoldete   und   zwei   unbesoldete   Stadträte   den   Rat   bilden.   Es   wird nämlich    seit    dem    7.    Oktober    1919    anstatt    der    um    die    Mitte    des    16.    Jahrhunderts,    zunächst    im    Lateinischen,    aufgekommenen Bezeichnung   Senator   für   das   einzelne   Ratsmitglied   die   eines   Stadtrats   angewendet.   Anstatt   der   Benennung   Bürgerausschuss   (förmlich früher:   Ausschuss   ehrliebender   Bürgerschaft)   bedient   sich   die   Tagesordnung   vom   4.   November   zuerst   der   in   der   Mecklenburgischen Städteordnung gebrauchten: Stadtverordnetenversammlung. Diese   eben   erwähnte   am   18.   Juli   1919   Gesetz   gewordene   Städteordnung   hatte   eine   Ortssatzung   der   Stadt   Wismar   zur   Städteordnung vom   4.   März   1920   zur   Folge.   Sie   brachte   aber   auch   den   Fortfall   der   wichtigsten   Privilegien,   die   die   Stadt   vom   Mittelalter   her   sich gerettet     hatte,     nämlich     des     Rechtes     der     autonomen     Gesetzgebung     und     der     selbständigen     Finanzgebarung.     Durch     das Einführungsgesetz   zur   Landesverfassung   vom   17.   Mai   1920   wurden   endlich   die   den   Städten   Rostock   und   Wismar   zustehenden,   dem Gebiete   des   öffentlichen   Rechts   angehörenden   Sonderrechte   aufgehoben,   nachdem   die   Gegenvorstellungen   Wismars   schon   am   29.   Juli 1919   durch   die   Beschlüsse   des   verfassunggebenden   Landtags   für   erledigt   erklärt   waren.   Das   wichtigste   dieser   Rechte   war   das   der Ausübung   der   Polizeigewalt   kraft   eigenen   Rechts,   während   sie   seitdem   im   Auftrag   des   Staates   geübt   wird.   Zugleich   wurden   beide Städte   der   von   ihnen   vertragsmäßig   für   das   Aufgeben   wertvollster   Steuerrechte   erworbenen   jährlichen   Renten   (für   Wismar   30.000   M.) verlustig.   Die   als   Gegenleistung   gebotene   Besteuerung   des   Einkommens   der   Eximierten   war,   wenigstens   für   Wismar,   ein   Quark   und   ist durch    die    Reichssteuergesetzgebung    zu    nichts    geworden    (Gesetz    vom    29.    März    1920).    —    Unverändert    geblieben    sind    die Rechtsverhältnisse der Stadt zu den Geistlichen Hebungen. Die   Bürger-   und   Volksschulen   zog   das   Land   am   1.   April   1921,   die   höheren   Schulen   am   1.   April   1921   an   sich.   Nur   die   Gebäude   und   die sachlichen Schullasten blieben den Hebungen oder der Stadt. Der Hafen ist am 1. April 1921 an das Reich übergegangen, wie die Reichsverfassung von 1919 (in §97) das bereits vorgesehen hatte. Gegen   die   im   Mai   1919   geplante   Einrichtung   einer   Bürgerwehr   zu   Sicherung von   Leben   und   Eigentum   lehnte   sich   die   Sozialdemokratie mit   Erfolg   auf.   In   den   zu   demselben   Zwecke   begründeten   Ordnungsbund   aber   kam   aus   Mangel   an   Teilnahme   in   den   bürgerlichen Kreisen kein Leben. Ausgangs   Februar   1919   hatten   die   Neunziger   ihren   bisherigen   Garnisionsort   verlassen.   Dafür   rückte   am   3.   März   das   ehemals   in   Kolmar stehende   Jägerbataillon ein, eine   noch gut disziplinierte   Truppe.   Als es aber am   26.   Juni   nach   Hamburg verladen werden   sollte,   um den dortigen   Aufstand   mit   niederwerfen   zu   helfen,   widersetzten   sich   dem   junge   Burschen   und   entrissen   den   Jägern,   die   sich   nicht   wehren durften,   z.   T.   ihre   Waffen.   Sie   mussten   die   Fahrt   von   Mecklenburg   aus   antreten.   Bei   ihrer   Rückkehr   am   25.   Juli   wurden   sie   wieder schwer   beschimpft,   und   es   entstand   daraus   offene   Feindschaft   mit   den   Arbeiterkreisen.   Die   Folge   war,   dass   der   Rat   auf   Beschluss   des Bürgerausschusses   beim   Reichswehrminister   die   Abberufung   der   Jäger   beantragen   musste,   unbekümmert   um   die   schwere   Schädigung, die   das   für   die   Stadt   bedeutete.   Die   zuständige   Befehlsstelle   freilich,   der   die   Entscheidung   zugewiesen   war,   lehnte,   wie   am   6.   Oktober bekanntgegeben   wurde,   das   Gesuch   ab.   Dennoch   wurde   am   Ende   des   Jahres   bestimmt,   dass   die   Jäger   Wismar   räumen   und   an   ihre Stelle   eine   Hundertschaft   der   Sicherheitswehr   treten   sollte.   Diese   ihrerseits   verwandelte   sich,   da   der   Friedensvertrag   dem   Reich   nur eine Militärmacht von 100.000 Mann zugesteht, bald in eine schwache Abteilung der Sicherheitspolizei. Die   fast   siebenhundert   Jahre   lang   bestandene   und   durch   das   herbste   Unglück   hindurch   gerettete   freie   Selbstverwaltung   der   Stadt   ist durch   die   neuen   Ereignisse   wohl   für   immer   beseitigt   worden,   ob   sie   in   der   engeren   Verbindung   mit   dem   Land   und   dem   Reich glücklicher sein und sich wirtschaftlich erholen wird, muss die Zukunft lehren.
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