18. Kapitel Die kommissarischen Verhandlungen Von 1827 - 1831. Es    war    also    in    mancherlei    Gebiete    der    städtischen    Verwaltung    neues    Leben    gekommen    und    mancher    Fortschritt    erreicht, Verbesserungen aber   in   Bezug auf   Kämmerei und   Hebungen waren eingeleitet. Auch   hatte sich schon die   Geisteskraft und das   Geschick des      Bürgermeisters      Haupt      geltend      gemacht.      Demnach      waren      die      Vorbedingungen      für      die      Wiederaufnahme      der Kommissionsverhandlungen,    womit    die    Regierung    am    18.    Juni    1827    den    Oberappellationsrat    von    Nettelbladt    (trotz    der    solcher Kommittierung entgegenstehenden Oberappellationsgerichtsordnung) beauftragte, kaum noch gegeben. Der   Anstoß   dazu   mag   auf   die   Überreichung   der   in   den   Händen   des   inzwischen   verstorbenen   Geh.-Rats   Bouchholtz   verbliebenen Kommissionsakten   durch   seinen   Bruder   im   Spätherbst   1822   zurückzuführen   sein.   Zunächst   war   der   Universitäts-Professor   Norrmann als   Kommissar   in   Aussicht   genommen,   danach   1825   der   Kanzleirat   und   Regierungsfiskal   Bouchholtz,   der   eben   erwähnte   Bruder   des früheren   Kommissars.   Dieser   erwartete   von   seinem   Aufträge   wegen   der   inzwischen   in   Wismar   eingetretenen   Veränderungen   wenig Erfolg   und   sprach   die   Befürchtung   aus,   es   möchte   herausgefühlt   werden,   dass   es   auf   Abtretung   der   Akzise   abgesehen   sei,   wozu   sich Wismar   nicht   mehr   verstehen   werde.   Beauftragt   wurde   der   Kommissar   mit   Wiederaufnahme   der   früheren   Verhandlungen,   der   Stadt aber    Berücksichtigung    ihrer    Wünsche   auf    Erteilung   der    Landstandschaft    und    Beseitigung   der   Verkehrshinderungen    in    Aussicht gestellt,    wenn    sie    sich    so    benähme,    dass    die    Regierung    Ursache    habe    mit    ihr    zufrieden    zu    sein,    die    gewünschte    unmittelbare Unterordnung   aber   unter   das   Oberappellationsgericht   zu   Parchim,   wenn   der   Kommissar   berichtete,   dass   ihr   Justizwesen   gehörig organisiert sei. Die   Führung   der   Verhandlungen   wurde   von   Seiten   Wismars   Anton   Johann   Friedrich   Haupt   aufgetragen,   der   im   Januar   1823,   eben   22 Jahre    alt,    in    den    Rat    eingetreten    und    im    August    1826    zum    Bürgermeister    erwählt    war.    Die    beiden    älteren    Bürgermeister,    der Rechtsgelehrte   Gabriel   Lembke   und   der   Kaufmann   Schmidt,   traten   ihm   gegenüber   in   den   Hintergrund.   Er   zeichnete   sich   durch überragendes   Talent   aus,   durch   Beweglichkeit   des   Geistes   und   eine   gewaltige   Arbeitskraft.   Dabei   durchdringt   seine   flüssig   und   gut geschriebenen   Darlegungen ein   tiefer sittlicher   Ernst.   Dem großherzoglichen   Kommissar war er so offensichtlich   überlegen, dass dieser den   Vorsprung   seiner   Stellung   nicht   ausnutzen   konnte.   Die   Rechte   der   Stadt   gegen   alle   Anfechtungen   zu   verteidigen   war   Haupt   stets bereit und durch eindringende Archivarbeit auch befähigt. Es zeigte sich   in den Verhandlungen alsbald, dass die   Regierung von der   Stadt   Entgegenkommen   in Abtretung der Akzise verlangte. Am 5.   August   1827   in   Wismar   eingetroffen,   legte   ihr   der   Kommissar   nach   mündlichen   Verhandlungen   mit   städtischen   Abgeordneten   schon am   22.   September   einen   Plan   dafür   vor,   den   er   als   äußerstes   Zugeständnis   bezeichnete.   Es   sollte   an   Stelle   von   Lizent   und   Akzise   unter Aufhebung    des    Staatsgeldes    und    der    Akziserekognition    eine    neue    Akzise    eingeführt    werden,    deren    Tarif    den    Rostocker    nicht überschritte.   Aus   den   Auskünften   sollte   der   Landesherr   für   Gehälter   und   Verwaltungskosten   3.400   Taler,   außerdem   zuerst   10.000   Taler, nach   Tilgung   der   Schulden   der   Akzisekammer   aber   18.000   Taler   jährlich   erhalten,   der   Überschuss   zwischen   ihm   und   der   Stadt   geteilt werden. Für   eine   glatte   Annahme   dieses   Vorschlags   war   Wismar   nicht   zu   haben,   um   so   weniger   als   sich   die   Lage   der   Akzisekammer   in   den letzten   Jahren   ständig   gebessert   hatte   und   sie   immer   höhere   Auskünfte   erwarten   konnte.   Eine   aus   Ratsherren   und   Ausschussbürgern gebildete   Kommission   stellte   einen   Gegenplan   auf,   der   am   12.   November   fertig   war   und   mit   einigen   Änderungen   nach   Beratung   in   Rat und   Ausschuss   im   Anfang   des   Dezembers   überreicht   wurde.   Man   wollte   jährlich   im   Ganzen   nur   12.000   Taler   in   die   großherzogliche Kasse   fließen   lassen,   3.000   Taler   zu   Schuldentilgung   verwenden   und   einen   etwaigen   Überschuss   teilen.   Daran   knüpfte   man   eine   ganze Reihe   Bedingungen.   Man   verlangte   außer   dem   vom   Kommissar   Gebotenen   Befreiung   von   der   ordentlichen   Landeskontribution   und jeder   Kontribution, die Wismar   nicht   in   Gemeinschaft   mit den übrigen   Ständen   bewilligte, von der   Prinzessinnensteuer und der   Orbör, Gleichstellung   im   Verkehr   mit   dem   übrigen   Mecklenburg,   namentlich   gleiche   Steuerbefreiung,   wie   Rostock   sie   hätte,   Überlassung   der Befestigungsländereien   in   Erbpacht   (gemäß der derzeitigen   Pachtauskunft),   Einräumung einer   Kontrolle   über den   Abfluss des   Wassers aus   dem   Schweriner   See   bei   Viecheln,   Sicherung   der   Metelsdorfer   (Quellen   für   die   Wasserleitung,   Errichtung   eines   Wollmarktes   und noch   mancherlei   anderes.   Als   unerlässlich   wurde   die   Einverleibung   in   den   ständischen   Verband   bezeichnet,   während   Nettelbladt   die Beteiligung   der   Stadt   an   der   Verwaltung   der   neuen   Akzise   auf   die   Ernennung   eines   Direktors   hatte   beschränken   wollen,   forderte   die Stadt   auch   Anteil   an   der   Ernennung   der   Offizianten.   Angebot   und   Forderung   gingen   weit   auseinander,   und   ein   Ausgleich   war   nicht möglich.    Die    Bedingungen    Wismars    wurden    in    Erklärungen    vom    13.    Juli    und    13.    Oktober    1828    mit    wenigen    Ausnahmen    und unverbindlichen   Erklärungen wegen der anderen vorweg abgelehnt. Von der geforderten   jährlichen   Zahlung an den   Landesherrn   könne nichts   abgelassen   werden,   da   seine   Gefälle   aus   Lizent,   Akziserekognition,   Orbör   und   Grundsteuer   nach   Abzug   der   Verwaltungskosten durchschnittlich   weit   mehr   betragen   hätten.   Von   den   Überschüssen   nach   vollendeter   Schuldentilgung   sollte   der   Stadt   ein   Drittel zufließen.   Einer   besonderen   Abminderung dessen, was die   Akzise aufbringen   müsse, stünden die von der   Stadt aufgehäuften   Schulden entgegen und es sei die Frage, ob nicht das ihr zwecks Schuldentilgung gewährte Akziserecht durch Missbrauch verwirkt sei. Dies   war   nicht   der   Weg,   zu   einer   Einigung   zu   gelangen,   und   wenn   auch   Haupt   im   Rat   den   Widerstand   Schmidts   gegen   weitere Verhandlungen   in   der   Hoffnung   überwand,   die   Wünsche   der   Stadt   doch   noch   in   den   wichtigsten   Punkten   durchsetzen   zu   können,   so empfahl   der   Ausschuss   am   12.   Dezember   abzubrechen.   Man   fürchtete   offenbar   in   der   Bürgerschaft   unter   großherzoglicher   Verwaltung eine   strengere   Handhabung,   während   es   unter   der   städtischen   noch   immer   lässig   herging.   Für   spätere   Jahre   wenigstens   ist   mir glaubwürdig   berichtet, die   für die   Malzakzise auf eine   Fassung von   240   Pfund   bemessenen und gestempelten   Säcke seien durch   Flicken so   erweitert   worden,   dass   sie   360   Pfund   fassten,   aber   der   Inhalt   sei   als   240   Pfund   verakziest   worden.   Nun   half   es   nicht   mehr,   dass   der Kommissar   am   15.   Dezember   den   Beschluss   des   Ausschusses   beklagte   und   sich   im   Allgemeinen   durchaus   entgegenkommend   äußerte. Auch   alle   Bemühungen   Haupts   und   die   Geneigtheit   des   Rates   zu   neuer   Anknüpfung   waren   umsonst.   Der   Ausschuss   blieb   fest   und beschloss   am   4.   Dezember   1829,   die   Bürgerschaft   entscheiden   zu   lassen.   Ein   letzter   Versuch   des   Rates,   durch   ein   Schreiben   an   den Kommissar   vom   31.   Januar   1830   die   Verhandlungen   nochmals   in   Gang   zu   bringen,   rief   nur   einen   Einspruch   des   Ausschusses   hervor   (5. Februar).   Vergeblich   hatte   sich   Haupt   auch   am   Ende   des   Jahres   an   die   Regierung   mit   einem   Vorschläge   wegen   Abtretung   der   Lizent gewandt. Während   der   Zwischenzeit   hatte   der   Kommissar   vollauf   mit   weiterer   Untersuchung   des   Stadtwesens   und   Verhandlungen   darüber   zu tun.   Immer   aber   war   es   der   Wismarsche   Bürgermeister,   der   die   größere   Arbeitslast   und   das   größte   Verdienst   an   den   schließlichen Beschlüssen hatte. Die   Reform   der   Kämmerei   war,   wie   früher   berichtet,   schon   vor   1827   in   Angriff   genommen   worden.   Immerhin   wirkte   das   Eingreifen   des Kommissars    hier    wie    auf    den    übrigen    Gebieten    fördernd    und    beschleunigend.    Es    herrschte    eine    völlige    Unübersichtlichkeit, namentlich   durch   das   Bauwesen   verursacht.   Von   Ostern   1804   bis   dahin   1827   hatte   die   Kämmerei   fast   81.000   Mr.   eingezehrt,   dafür allerdings   die   hauptsächlichsten   Bauten   beschafft.   Die   Schuld   der   Kämmerei   wurde   1830   auf   30.000   Taler,   ihre   festen   Einnahmen wurden   auf   jährlich   10.000   Taler,   ihre   festen   Ausgaben   (auch   für   Verzinsung)   auf   8522   Taler   angegeben.   Um   Ordnung   zu   schaffen, schlug   Haupt   die   Errichtung   eines   Revisionsdepartements   nicht   nur   für   die   Kämmerei   vor,   für   die   man   schon   1816   eine   Revision   zu schaffen   beabsichtigt   hatte,   sondern   auch   für   alle   übrigen   Zweige   der   städtischen   Verwaltung   (21.   Januar   1828).   Er   hoffte   dadurch   die nötige   Einheitlichkeit   zu   erzielen,   während   bis   dahin   jedes   Departement   nur   für   sich   gewirtschaftet   hatte.   Leute,   die   ihm   nicht gewogen waren, schrieben   ihm die Absicht zu, vermöge dieses   Revisionsdepartements alle   Behörden von sich abhängig zu   machen.   Um Michaelis   war   man   soweit,   dass   die   Regulative   für   die   Verwaltung   der   Kämmerei   und   das   Revisionsdepartement   veröffentlicht   werden konnten.   Das erste   trat   Michaelis, das andere am   8.   November   in   Kraft.   Die   Beratungen waren durch eine städtische   Kommission, dann mit Nettelbladt und Rat und Ausschuss geführt worden. Auch   zur   Beratung   von   Reformen   für   die   Geistlichen   Hebungen   hatte   der   Rat   schon   1820   eine   Kommission   eingesetzt   und   konnte,   als Nettelbladt   hier   in   die   Revision   eintrat,   schon   am   22.   August   1827   einen   fertigen   Plan   vorlegen,   der   auf   Verwaltung   aller   Hebungen durch   ein   einziges   Kollegium   hinauslief,   aber   bei   gemeinschaftlicher   Kassenführung   die   Vermögen   der   einzelnen   Hebungen   gesondert erhalten   wollte,   ein   Gedanke,   der   schon   bei   der   letzten   Schwedischen   Kommission   angeregt   war.   Eine   geregelte   Beaufsichtigung   sollte der Rat ausüben. Die   Geistlichen   Hebungen waren   für die   Stadt ein etwas gefährliches   Gebiet.   Dass die   besonders vermögenden   Hebungen, die des   Heil. Geistes und des   Ziegelhofs von   St.   Marien, von   jeher, auch schon zu   katholischen   Zeiten unter städtischer Verwaltung gestanden   hatten und   dass   diese   in   kaum   anfechtbarer   Weise   auch   auf   Grund   von   Patronatsrechten,   Verträgen   und   natürlicher   Entwicklung   auf   die übrigen    Geistlichen    Hebungen    erstreckt    war,    haben    wir    im    10.    Kapitel    gesehen.    Nichts    desto    weniger    hatte    schon    die    der Bouchholtzschen   Kommission   vorangehende   Frage   der   Regierung,   wie   die   Stadt   ihre   Schulden   an   die   Geistlichen   Hebungen   abtragen wolle,   die   Gefahr   höherer   Einmischung   gezeigt   und   dieser   Kommissar   versucht,   in   die   Verwaltung   einzugreifen.   Auch   Nettelbladt sprach   sich   in   einem   Bericht   an   die   Regierung   vom   8.   September   1827   für   die   Notwendigkeit   einer   eingreifenden   oberbischöflichen Aussicht   aus   und   wollte   den   Rat   möglichst   von   der   Verwaltung   entfernen   sowie   bei   Anstellung   der   Beamten   beschränken.   Desgleichen sah der Ausschuss die   Gelegenheit   für günstig an, um den   Rat zurückzudrängen und   für sich   neue   Rechte zu gewinnen.   Dass die   Rechte der   Stadt   auch   diesen   Angriff   unversehrt   überstanden,   dürfte   wesentlich   den   Kenntnissen   Haupts   und   seinem   Geschick   im   Darstellen und Verhandeln zu danken sein. Angriffspunkte   bot   die   Verwaltung   der   letzten   Zeit   genug.   Die   im   Bürgervertrag   von   1600   angeordnete   beständige   Aufnahme   der Rechnungen   hatte, wenn   überhaupt,   nur durch den   Patron   stattgefunden, die   Patronate aber   über die einzelnen   Hebungen waren   nach altem   Herkommen   unter   zwei   Bürgermeister   verteilt.   Eine   Kirchenvisitation   war   seit   länger   als   vierzig   Jahre   nicht   abgehalten,   die Leitung   des   Konsistoriums   vom   Herzog   seit   1803   dem   städtischen   Assessor   Politicus   übertragen,   indem   die   Stellen   des   Direktors   und des   landesherrlichen   Assessors   unbesetzt   geblieben   waren.   So   hing   alles   von   den   Patronen   ab,   die   selbst   unbeschränkt   walteten.   Es waren   ziemlich   willkürliche   Verfügungen   vorgekommen.   Einige   Hebungsvorsteher   wie   Senator   Cornelssen   oder   Provisoren   wie   der Bürgerworthalter   Pladecius   hatten   vor   1822   den   Hebungen   nicht   unbeträchtliche   Summen   geschuldet,   ohne   dafür   Zinsen   zu   bezahlen. Andere   wie   Hermes   hatten   in   Vorschuss   gehen   müssen,   der   nur   durch   gerichtliche   Klage   eingetrieben   werden   konnte.   Mehrfach   hatte ein   Provisor   von   St.   Georgen   seinen   Vorteil   gesucht.   Gegenüber   Schuldnern   war   man   nach   alter   Weise   sehr   nachsichtig   gewesen.   Es trifft   aber   nicht   zu,   dass   1827   (von   der   Akzisekammer   abgesehen)   über   51.000   Mr.   rückständig   gewesen   sein   sollen,   es   waren   bei gehöriger   Sichtung   doch   nur   10.106   Mr.   oder   ganz   genau   nur   3000   Mr.   Die   Aufmachungen   Nettelbladts,   die   Witte   wiedergegeben   hat, sind   übertrieben.   In   Wirklichkeit   hatte   sich   der   Vermögensstand   der   Hebungen   gegen   1805   nur   um   19.560   Mr. verschlechtert,   trotzdem sie   durch   Kriegsschäden   mindestens   70.000   Mr.,   voll   angeschlagen   sogar   100.000   Mr.   verloren   hatten.   Gegenüber   dem   Stand   des   Jahres 1746    hatte    sich    ihr    Vermögen    um    130-140.000    Mr.    verbessert    und    waren    außerdem    Preensberg    und    Kartlow    erworben.    Das Kapitalvermögen   berechnete   Nettelbladt   auf   279.856   Mr.   Allerdings   waren   die   Kirchengebäude   vernachlässigt   und   für   die   Armen   nur geringe   Beträge   übrig,   da   der   Durchschnitt   der   jährlichen   Baukosten   die   Überschüsse   verschlang.   Um   an   diesen   zu   sparen,   wollte Nettelbladt   die   Kirchen   des   Heil.   Geistes   und   des   Schwarzen   Klosters   abgebrochen   wissen.   Die   selbständige   Verwaltung   der   einzelnen Hebungen   erforderte   einen   überflüssig   großen   Apparat   und   hatte   durch   die   gegenseitige   Verschuldung   die   Übersichtlichkeit   nicht gerade    gefördert.    Notwendig    war    sie    geworden,    weil    die    kleineren    Hebungen    ohne    Unterstützung    durch    die    reicheren    nicht durchkommen    konnten,    und    der    letzte    Konfirmatorialbescheid    zu    der    Kirchenvisitation    von    1785    hatte    diese    Unterstützung ausdrücklich gebilligt (27. September 1704). Erst 1831 wurden die Verhandlungen abgeschlossen, und der Rat legte, nachdem er sich mit dem Ausschuss im Ganzen   geeinigt   hatte,   am   Juli   ein   Regulativ,   das   auf   seinem   früheren   Entwurf   beruhte,   wofür   aber   auch   der   Nettelbladts   benutzt   war, zu   oberbischöflicher   Bestätigung   vor.   Er   wurde   mit   einigen   Änderungen   gutgeheißen.   Die   wichtigsten   waren   die   Forderung   der gemeinsamen   Verwaltung   des   Patronats   durch   die   Bürgermeister,   eines   jährlichen   Schuldabtrags   von   mindestens   2.000   Talern,   der Kürzung   des   jährlichen   Zuschusses   für   die   Ratsbesoldungskasse   um   500   Taler   und   der   Ausnahme   der   landesherrlichen   Aufsichts-   und Bestätigungsrechte in das Regulativ. Schon vor dem   Eintreffen der   Bestätigung   hatten   Rat und Ausschuss die Vereinigung der   Hebungen   beschlossen.   Sie   trat vorläufig am   1. Januar   1832   in   Kraft   und   wurde   am   1.   August   oberbischöflich   genehmigt.   Die   Vererbpachtung   der   Güter   wurde   im   Allgemeinen   vorweg bestätigt   und   nur   verlangt,   dass   nach   jeder   Vererbpachtung   eine   beglaubigte   Abschrift   des   Vertrags   eingereicht   werde.   Für   Kauf   und Verkauf    von    Landgütern    der    Hebungen,    für    Verwendung    ihrer    Mittel    zu    anderen    als    den    gesetzlich    festgelegten    Zwecken,    für Pachterlasse,   Aussetzung   des   Schuldabtrags   und   Aufnahme   neuer   Schulden   außer   kurzfristigen   zu   vorübergehenden   Bedürfnissen wurde    das    landesherrliche    Bestätigungsrecht    gewahrt    (28.    November    1833).    Am    13.    März    1834    wurde    dann    das    neue    Regulativ veröffentlicht.    Im    gleichen    Monat    wurde    die    bisher    den    einzelnen    Hebungen    zustehende    Gerichtsbarkeit    dem    neugebildeten Hebungsgericht   übertragen.   Sogleich   wurde   auch   mit   der   Vererbpachtung   der   Güter   begonnen   und   sie   bis   1846   durchgeführt.   Dabei wurde   glücklicherweise   das   Erbstandsgeld,   von   dem   die   Schulden   getilgt   wurden,   niedrig   gehalten,   der   jährliche   Kanon   aber   hoch bemessen, und durch ständige   Regelung   nach den   Kornpreisen   hoffte   man   ihn vor dem   Sinken   mit der   Entwertung des   Geldes schützen zu   können.   An   Baukosten,   Abgaben,   Brandkassenbeiträgen   und   Verwaltungskosten   wurden   jährlich   4082   Taler   erspart.   Viereggenhof wurde   1834   angekauft   und   vererbpachtet.   Allein   St.   Jakobshof   ist   Pachtgut   geblieben   und   die   Große   Flöte   nach   dem   Rückkauf   zu   Ende 1897 wieder zu einem Pachtgut gemacht worden. Von   jetzt   an   konnte   mehr   für   die   Erhaltung   der   Kirchen   geschehen.   Die   Entfernung   der   Tünche   und   möglichste   Herstellung   des ursprünglichen   Zustandes   geschah   unter   dem   Einfluss   und   auf   Rat   des   kunstverständigen   Dr.   med.   Crull   in   St.   Nikolai   1880,   in   St. Georgen 1867, in St. Marien 1903, wobei das Wulfssche Testament für St. Georgen gesorgt hat. Jahrzehnte   lang   konnten die   Kosten des   Schulwesens   noch aus den   Mitteln der   Geistlichen   Hebungen   bestritten werden.   Dann   musste, da   die   Ausgaben   dafür   immerfort   stiegen,   in   der   zweiten   Hälfte   der   achtziger   Jahre   der   bis   dahin   für   die   Armenanstalt   geleistete Zuschuss   wegfallen   und   bald   darauf   die   Steuerkraft   der   Stadt   mehr   und   mehr   für   die   Schulen   herangezogen   werden.   Nettelbladt   hatte gewünscht,   die   dem   Armenwesen   dienenden   Hebungen   und   milden   Stiftungen   mit   der   Armenanstalt   zu   vereinigen.   Dem   trat   Haupt entgegen,   indem   er   davon   ausging,   dass   sie   möglichst   gemäß   ihren   ursprünglichen   Zwecken   verwaltet,   aber   ihre   Verwaltung   unter Kontrolle   des   Konsulats   gestellt   werden   müsse.   In   mancher   Weise   war   bisher   willkürlich   über   einzelne   dieser   Stiftungen   verfügt   und waren   ihre   Mittel   zu   Zwecken verwandt worden, die   ihnen   fremd waren.   Um dem   für die   Zukunft einen   Riegel vorzuschieben, verfasste Haupt   einen   umfassenden   auf   Ursprung,   Bestimmung   und   Geschichte   der   einzelnen   Stiftungen   eingehenden   Bericht   und   entwarf   eine Verordnung   über   die   zukünftige   Verwaltung   dieser   (16.   März   1830).   Sie   wurde   am   April   1831   veröffentlicht.   Der   Armenanstalt   wurden nur   das   Schabbeltsche   Witwenhaus,   die   Tankschen   Gasthäuser   und   das   Gröningsche   Legat   unterstellt.   Alle   drei   Jahre   haben   die Verwalter   der   Stiftungen   seitdem   dem   Konsulate   Rechnung   zu   legen   und   soll   eine   Nachricht   über   die   Bestimmung   der   Stiftungen,   den derzeitigen   Bestand   ihres Vermögens und   ihre   Einnahmen und Ausgaben veröffentlicht werden.   In der Tat sind seitdem von Zeit zu Zeit solche   Berichte   erschienen,   zuerst   1841.   Bis   1878   fußen   sie   in   ihrem   geschichtlichen   Teil   auf   den   Forschungen   Haupts,   und   erst   der   von 1911   bringt   in   dieser   Beziehung   Berichtungen   auf   Grund   neuen   Aktenstudiums.   1831   bestanden   24   Privatstiftungen   zu   frommen   und milden    Zwecken.    Seither    sind    bis    zum    Ausbruch    des    Krieges    35    Stiftungen    hinzugekommen,    während    durch    Vereinigung    der Tankschen   Gasthäuser   eine   eingegangen   ist.   Bis   das   bürgerliche   Gesetzbuch   in   Kraft   trat,   hatte   der   Rat   neue   Stiftungen   zu   bestätigen, seitdem war das Sache des Landesherren, neuerdings des Ministeriums für geistliche Angelegenheiten. Die   Ratsmitglieder waren ehedem, wie früher   berichtet worden   ist,   nicht   mit   irgendwelcher   Besoldung versehen, sondern auf   Einkünfte verschiedenster    Art    angewiesen    gewesen,    worunter    Sporteln    und    Verlehnungsgebühren    unglücklicherweise    immer    belangreicher geworden   waren.   Die   verschiedentlichen   Erwägungen   dem   abzuhelfen   waren   stets   an   der   Unmöglichkeit   gescheitert,   Mittel   für   eine Besoldung   ausfindig   zu   machen.   Am   3.   November   1827   legte   nunmehr   der   Kommissar   den   Plan   zu   einer   Ratsbesoldungskasse   vor, worauf   der   Rat,   nachdem   eine   Kommission   aus   Mitgliedern   des   Rates   und   der   Bürgerschaft   gebildet   worden   war,   am   19.   November   mit einem   Gegenentwurf   hervortrat.   Im   Grundsatz   war   man   bald   einig,   aber   der   Ton,   den   der   Kommissar   anschlug,   war   nicht   geeignet   die Sache   zu   fördern.   Im   Rat   selbst   widerstrebten   die   beiden   ältesten   Bürgermeister,   deren   Einnahmen   bedeutend   waren   und   durch   die neue   Ordnung   eine   Herabsetzung   zu   befahren   hatten.   Außerdem   hing   die   Angelegenheit   mit   der   Errichtung   eines   Obergerichts,   einer Stadtbuch-   und   Gerichtsordnung   und   der   Verwaltung   der   Hebungen   zusammen.   So   trat   mit   dem   Oktober   1828   eine   Stockung   ein,   und erst   im   Januar   1831 wurden,   nachdem die   Unruhen dazu Anlass gegeben   hatten, die Verhandlungen durch eine rätlich-bürgerschaftliche Kommission   wieder   ausgenommen.   Da   aber   das   zweite   Quartier   des   Ausschusses   für   den   daraus   hervorgegangenen   Entwurf   nicht   zu gewinnen war,   musste die   Entscheidung der   Regierung angerufen werden   (25.   Mai).   Sie ging erst am   28.   Dezember ein, die andauernde Widersetzlichkeit    aber    des    zweiten    Quartiers    machte    noch    eine    zweite    erforderlich,    so    dass    die    für    die    Ausführung    nötigen Anordnungen    an    die    städtischen    Ämter    erst    Ende    Mai    1832    erlassen    werden    konnten.    Das    Gehalt    des    ersten    rechtsgelehrten Bürgermeisters   wurde   auf   1.700   Taler,   das   des   kaufmännischen   auf   1.400,   das   des   Syndikus   auf   ebenfalls   1.400   Taler   festgesetzt.   Die rechtsgelehrten    Ratsherren    erhielten,    1.000,    900,    700,    die    übrigen    800,    700,    600    450    und    400    Taler.    Vorher    hatte    der    älteste Bürgermeister,   wenn   er   ein   Rechtsgelehrter   war,   wenigstens   2m500,   wenn   ein   Kaufmann,   wenigstens   2.100   Taler   gehabt.   Auf   die   nicht gelehrten   Ratsherren   war   mit   Ausnahme   der   Kämmerer   sehr   wenig   gekommen,   auf   die   beiden   jüngsten   nur   300   oder   400   Taler.   In   die neu   gegründete   Ratsbesoldungskasse,   die   die   Gehalte   zahlen   sollte,   wurde   die   Ratspatrimonialkasse   einbezogen.   Die   Hebungen   sollten jährlich   1.623   Taler   beisteuern,   während   die   Stadt   ihnen   2.100   Taler   hatte   auferlegen   wollen.   Die   Sporteln   und   Gebühren,   die   bis   dahin der   Rat   bezogen   hatte,   fielen   hinfort   der   Kämmerei   zu.   Die   Gehalte   haben   seitdem   öfter   erhöht   werden   müssen.   Seit   dem   1.   Januar   1911 erhielt    der    rechtsgelehrte    Bürgermeister    9.000,    der    nicht    Rechtsgelehrte    7.000    Mr.    und    stiegen    die    Gehalte    der    rechtsgelehrten Ratsherren von 4.000 auf 8.000, die der nicht Rechtsgelehrten von 3.500 auf 5.500 Mr. Verhältnismäßig   rasch   wurde   die   Gerichtsreform   bis   zu   einem   gewissen   Abschluss   gebracht.   Die   von   dem   städtischen   Gericht   seit Erwerb   der   Vogtei   Jahrhunderte   lang   ohne   alle   Einschränkung   ausgeübte   peinliche   Gerichtsbarkeit   wurde   der   Stadt   wie   den   anderen mit   gleichem   Recht   ausgestatteten   Obrigkeiten   im   Land   durch   Errichtung   des   Kriminalkollegiums   zu   Bützow   mit   Wirkung   vom   1. Oktober   1812   an   zuerst   beschränkt   und   dann   im   nächsten   Jahr   entzogen,   indem   die   Ahndung   von   Mord,   Todschlag,   Brandstiftung, Raub,   Bandendiebstahl,   Pferdediebstahl   und   ähnlichen   Verbrechen   dem   Geschäftskreis   jenes   zugewiesen   wurde.   So   wenig   wie   der ernstliche   Einspruch   Rostocks   gegen   diese   Verkümmerung   seiner   Rechte,   nützten   die   Vorstellungen   des   Wismarschen   Rates,   dass   es hart   sei,   ihm   seine   wohlerworbene   Kriminaljurisdiktion   zu   nehmen,   ohne   ihn   einmal   zu   hören,   noch   seine   anfänglichen   Weigerungen, die    für    die    neue    Einrichtung    verlangten    Zahlungen    zu    leisten.    Das    letzte    von    einem    Wismarschen    Gericht    nach    eingeholter Rechtsbelehrung   (wie   es   üblich   geworden   war)   ausgesprochene   Todesurteil   wurde   an   dem   Ackerknecht   T.   J.   G.   Schwarzkopf   im   Jahre 1799   vollstreckt.   Der   Hingerichtete   hatte   sich   in   sehr   erklärlichem   Zorn   einen   Todschlag   zu   Schulden   kommen   lassen.   Enthauptungen wurden   seit   Jahrhunderten   —   es   sei   an   die   Heinrichs   von   Haren   und   Johann   Banzkows   erinnert   —   auf   dem   Marktplatze   vollzogen. Sonst   wurden   noch   andere   Orte   als   Richtstätten   benutzt,   z.   B.   vor   dem   Lübschen   Tor   bei   St.   Jakobs   und   vor   dem   Poeler   Tor   auf   dem Grasort.   Der   Galgenberg,   den   jetzt   der   alte   Friedhof   einnimmt,   vor   dem   Mecklenburger   Tor   ist   seit   1295   bezeugt.   Der   letzte   massive Galgen wurde dort 1746 errichtet. Er stand bis 1829. Die   Berufungen von den   Entscheidungen des   Niedergerichts   und des   Gewettes gingen an den   Rat,   Berufungen von   Entscheidungen des Rates   in   Schwedischer   Zeit   an   das   Tribunal,   nach   1803   an   das   Hof-   und   Landgericht   zu   Güstrow,   seit   Oktober   1818   an   die   dortige Justizkanzlei   und   erst   im   Rekurs   an   das   Oberappellationsgericht   Parchim.   Die   Erfüllung   des   Wunsches   der   Stadt,   diesem   unmittelbar unterstellt    zu    werden,    wurde,    wie    anfangs    dieses    Kapitels    bemerkt    ist,    von    einer    gehörigen    Organisierung    des    städtischen Gerichtswesens   abhängig   gemacht.   Bei   der   Untersuchung   dieses   fand   der   Kommissar   vor   allem   Verschleppungen   von   Konkurs-   und Kuratelsachen   zu   rügen   und   forderte   die   Einrichtung   eines   städtischen   Obergerichts,   das   mit   einem   rechtsgelehrten   Bürgermeister, dem   Syndikus   und   einem   nicht   im   Niedergericht   sitzenden   rechtsgelehrten   Ratsherrn   besetzt   sein   sollte.   Als   die   Regierung   ein   von dem   Kommissar   eingereichtes   Regulativ   für   das   Gericht   zur   Norm   machen   wollte,   wies   der   Rat   es   zurück,   indem   er   selbst   das   Recht   in Anspruch   nahm,   das   Gericht   zu   organisieren.   Er   wehrte   sich   zugleich   für   die   städtische   Autonomie   in   der   Ratsverfassung   und   wollte sich   nicht   einen   weiteren   rechtsgelehrten   Ratsherrn,   dessen   Bedürfnis   er   leugnete,   aufdrängen   lassen.   Dabei   stand   ihm   der   Ausschuss zur   Seite,   auch   dieser   der   Meinung,   dass   ein   weiterer   rechtsgelehrter   Ratsherr   nicht   nötig   sei.   Im   Rat   aber   erwuchs   nachhaltiger Widerspruch   gegen   die   Errichtung   des   Obergerichts   von   Seiten   des   kaufmännischen   Bürgermeisters   Schmidt   und   der   übrigen   nicht rechtsgelehrten    Ratsherren,   die   sich    in    ihren    Rechten    und    zum   Teil   auch    in    ihren    Einkünften    bedroht   sahen.    Es   gelang,   diese Schwierigkeiten zu überwinden.   Die   Regierung   lenkte ein, die   Berufung eines   neuen rechtsgelehrten   Ratsherren wurde verschoben und Schmidt   gab   nach.   Am   28.   Mai   1828   wurde   ein   gemeiner   Bescheid   über   die   Eröffnung   des   Obergerichts   erlassen   und   Anfang   1832   ein dritter   rechtsgelehrter   Ratsherr   berufen,   womit   die   ordnungsmäßige   Besetzung   des   Gerichts   durchgeführt   wurde.   Nun   wollten   sich aber   Schmidt   und   die   nicht   rechtsgelehrten   Ratsherren   noch   nicht   darin   fügen,   dass   die   Erkenntnisse   des   Obergerichts   ohne   ihr Gutheißen oder wenigstens   ihr   Wissen erlassen würden,   und es   bedurfte erst einer   landesherrlichen   Entscheidung vom   1.   Juni   1833   und auf   ihre wiederholten   Gegenvorstellungen zweier weiterer Ausdeutungen vom   16.   Mai   1835 und vom   26.   November   1836, ehe sie sich den von   Haupt gemachten Vorschlag gefallen   ließen, dass die   Erkenntnisse des   Obergerichts, wenn auch ohne   Mitwirkung, doch   im   Namen des Rates ergingen. Zwischen den rechtsgelehrten und den übrigen Ratsherren tat sich in diesen Verhandlungen eine weite Kluft auf. Auch   das   erreichte   die   Stadt,   dass   der   Rechtszug   von   dem   Hebungsgericht   an   das   Obergericht   genommen   werden   sollte,   während   bis dahin   die   Berufung   von   Urteilen   der   Hebungsgerichte   an   das   Tribunal   und   später   an   die   Justizkanzlei   in   Güstrow   gegangen   war.   Dies aus   dem   Grunde,   weil   die   Bürgermeister,   die   in   jenen   richteten,   sich   nicht   hatten   unter   den   Rat   stellen   wollen.   Der   Rechtszug   von   den Erkenntnissen   des   Obergerichts   sollte   vom   1.   Juli   1829   an   an   das   Oberappellationsgericht   zu   Parchim   gehen,   Stadt   und   Rat   in   erster Instanz   der   Justizkanzlei   zu   Rostock   unterstehen.   Dieses   samt   den   näheren   Bedingungen   wurde   am   20.   Mai   zwischen   Nettelbladt   und Haupt vereinbart und am 21. und 30. Mai von der Stadt und vom Landesherrn bestätigt. Eine   aus   Anlass   eingegangener   Beschwerden   (darüber   im   nächsten   Kapitel)   am   3.   Juni   1831   angeordnete   Visitation   der   Rechtspflege durch   die   Rostocker   Justizkanzlei   und   die   von   dem   damit   beauftragten   Kanzleidirektor   von   Gülich   eingereichte   Denkschrift   rief   noch vor   Beginn   der   Handlung   eine   von   Haupt   entworfene   Verordnung   hervor,   um   eine   Kontrolle   in   Vormundschafts-,   Konkurs-   und Untersuchungssachen einzuführen und die zum   Urteilsspruch gestellten   Zivilsachen zu   fördern   (20.   Juli), weiter   bauend, plante   Haupt, der    namentlich    das    bisherige    Beweisverfahren    als    höchst    weitläufig    und    kostspielig,    das    Erkenntnisverfahren    aber    geradezu    als unvernünftig   kennzeichnete,   eine   weitgehende   Vereinfachung   des   ganzen   Gerichtsverfahrens   und   legte   am   17.   März   1832   Entwürfe dazu   vor.   Obgleich   sie   aber   von   den   rechtsgelehrten   Mitgliedern   des   Rates   bis   zum   1.   Februar   des   folgenden   Jahres   durchberaten   und unter   diesen   Einigkeit   darüber   erzielt   war,   konnten   sie   vor   Beginn   der   in   Rücksicht   auf   die   geplanten   Besserungen   verschobenen Visitation    nicht   erledigt   werden.   Von    Gülich,   der   diese   vom    11.    bis    16.    März    1833   vornahm,    fand   einen   erfreulichen    Beweis   der Beförderung   der   Sachen   und   prompter   Justizpflege.   Die   beabsichtigten   Reformen   betreffend   regte   er   Verbesserungen   an   und   drang besonders   auf   Einführung   der   Mecklenburgischen   Prozessordnung   statt   der   noch   gültigen   Tribunalsordnung.   Doch   erwuchsen   im   Rat und   in   den   bürgerschaftlichen   Quartieren   noch   mancherlei   Schwierigkeiten,   und   erst   am   15.   Januar   1840   konnten,   wenngleich   die landesherrliche   Genehmigung   schon   am   26.   November   1836   erteilt   war,   die   Verordnungen   herausgegeben   werden.   Auch   erwies   es   sich als   unmöglich,   die   Rechtspflege   so   klar   und   einfach   zu   gestalten,   wie   Haupt   es   anfangs   plante.   Namentlich   musste   die   Absicht aufgegeben    werden,    die    Eximierten,    die    ihren    Gerichtsstand    unmittelbar    unter    dem    Obergericht    hatten,    dem    Niedergericht    zu unterstellen,   weil   zu   befürchten   war,   dass   sich   wohlhabendere   Familien,   die   in   anderen   Städten   des   Landes   nach   wie   vor   einen bevorzugten     Gerichtsstand     hatten,     dann     nicht     in     Wismar     niederlassen     würden.     Ebenso     konnte     die     geplante     öffentliche Verhandlungsweise   nicht   durchgesetzt   und   das   schriftliche   Verfahren   und   die   Zuziehung   von   Sachwälten   vor   dem   Niedergericht   nicht soweit   zurückgedrängt   werden,   wie   es   die   Absicht   gewesen   war.   Ein   großer   Fortschritt   lag   in   der   reinlichen   Scheidung   zwischen   der Zuständigkeit des   Niedergerichts und der des   Gewettes, die   früher   für   manche   Sachen   neben einander   bestanden   hatten.   Dem   Gewette, dessen   Gerichtsbarkeit   sich   über   Zunft-   und   Gewerbestreitigkeiten,   Sachen   des   Marktverkehrs,   über   Bausachen,   Grenzstreitigkeiten und   Klagen   aus   Kontrakten   erstreckt   hatte,   wurden   vor   allem   die   Kumpanei-,   Zunft-   und   Handwerkssachen,   Streitigkeiten   zwischen Herrschaften   und   Dienstboten   und   häusliche   Streitigkeiten   zwischen   Eheleuten   und   zwischen   Eltern   und   Kindern   zugewiesen.   Sein Verfahren    sollte    mehr    polizeimäßig    als    gerichtlich    sein.    Dem    Obergericht,    der    zweiten    Instanz    für    die    Entscheidungen    des Niedergerichts   und   des   Gewettes,   verblieben   im   übrigen   Klagen   gegen   die   Eximierten,   Vormundschaftssachen,   Konkurse   und   die Sachen der   freiwilligen   Gerichtsbarkeit.   Die   Tribunalsordnung wurde ganz   bei   Seite gesetzt   und die   Mecklenburgische   Prozessordnung eingeführt.   —   Eine   Dienstbotenordnung,   von   Anfang   an   mit   bedacht   und   entworfen,   wurde   gleichzeitig   mit   den   Verordnungen   über das Gerichtswesen erlassen. Etwas   früher,   als   das   Obergericht   gebildet   werden   konnte,   war   die   Vereinbarung   über   die   Aufhebung   des   Wismarschen   Konsistoriums und   die   Neuordnung   der   geistlichen   Gerichtsbarkeit   und   der   kirchlichen   Verhältnisse   fertig   geworden.   Sie   wurde   am   10.   März   1829   von Nettelbladt und   Haupt unterschrieben und am   11. vom   Rat, am   18.   März vom   Landesherren vollzogen.   Unter Zugrundelegung eines vom Landesherren   gutgeheißenen   Entwurfs   von   Nettelbladt   wurden   doch   die   Einwendungen   des   Rates   im   Ganzen   berücksichtigt   und fanden   nur   zwei   Wünsche   der   Stadt   keine   Erfüllung.   Die   Geschäftsverwaltung   und   Gerichtsbarkeit   des   bisherigen   Wismarschen Konsistoriums    wurde    teils    der    großherzoglichen    Regierung,    teils    dem    Konsistorium    zu    Rostock    übertragen.    Für    Ehe-    und Verlöbnissachen   zwischen   den   der   städtischen   Gerichtsbarkeit   unterstehenden   Personen   wurde   durch   Zustellung   der   drei   Pastoren zum    Obergericht    ein    besonderes    Ehegericht    zu    Wismar    gebildet.    Es    ging,    als    unvereinbar    mit    der    Reichsgesetzgebung    über Beurkundung   des   Personenstandes   und   Eheschließung,   am   Dezember   1875   ein,   indem   die   Ehesachen   vom   folgenden   Tag   an   dem Obergericht   zugewiesen   wurden.   Dispensationen   für   Heiraten   sollten   nur   bei   Verwandtschaft   im   zweiten   Grad   gleicher   Linie   der Blutsfreundschaft   und   Schwägerschaft   nachzusuchen   nötig   und   gegen   bloße   Erlegung   einer   Gebühr   an   die   Schreibstube   ausgefertigt werden.   Haustrauungen,   Haustaufen,   Privatkommunion   und   stille   Beerdigung   zu   allen   Zeiten   sollten   frei   sein,   Adlige,   landesherrliche Beamte,   Ratsherren,   Doktoren   und   charakterisierte   Personen   von   gleichem   Range   das   Recht   haben,   sich   ihren   Beichtvater   auch außerhalb   des   Kirchspiels   ihrer   Wohnung   zu   wählen.   Das   geistliche   Ministerium   zu   Wismar   sollte   von   der   übrigen   Mecklenburgischen Geistlichkeit    gesondert    bleiben    und    in    Amtssachen    unmittelbar    unter    dem    Landesherren    und    seiner    Regierung    stehen,    in Personalsachen   unter   dem   Gericht,   dem   Wismar   zugewiesen   würde,   und   für   sie   gemeines   Recht   gelten.   Für   die   Anstellung   des Superintendenten   und   der   übrigen   Geistlichen   blieb   es   bei   der   bisherigen   Übung,   ebenso   für   die   kirchlichen   Unterbedienten.   Die Schwedische   Kirchen-   und   Konsistorialordnung   wurde   außer   Kraft   gesetzt   und   die   Mecklenburgische   Kirchenordnung   von   1602   von der    Stadt   als   für   sie   geltend   anerkannt.    Das    jus    liturgicum   sollte   dem    Landesherren   polizeiliche   Anordnungen   sollten   dem    Rat zustehen,   wegen   Anordnungen   über   Beginn   des   Gottesdienstes,   Geläut,   Orgel-   und   Glockenspiel,   Gesangbuch   wurden   besondere Bestimmungen   getroffen.   Kirchengebäude,   Kirchhöfe,   Predigerwohnungen   blieben   unter   der   Gerichtsbarkeit   der   Stadt.   —   Am   1. Oktober     1909     wurde     Wismar     Sitz     einer     Landessuperintendentur,     worin     die     bis     dahin     für     sich     bestehende     Wismarsche Superintendentur   aufging.   Der   vom   Großherzog   berufene   Superintendent   ist   zugleich   erster   Pastor   an   St.   Marien.   Zur   Ausübung   der Seelsorge wurde an dieser Kirche ein dritter Prediger angestellt. Sonst   kam   noch   ein   Abkommen   über   die   Verlegung   einer   Gendarmerie-Brigade   nach   Wismar   unter   Sicherung   der   uneingeschränkten Polizeigewalt   der   Stadt   zum   Abschluss,   nicht   aber   ein   solches   über   das   vom   Rat   beanspruchte   ausschließliche   Recht,   Freimeister   zu ernennen und Gewerbekonzessionen zu erteilen. Vor   allem   scheiterte   die   Aufnahme   Wismars   in   den   landständischen   Verband.   Auf   Rat   des   Geh.   Rates   von   Bassewitz-Schönhof   hatte Wismar,   statt, wie es   zuerst   beabsichtigt war,   Eintritt   in die   Landschaft   und   Sitz   im   Engeren   Ausschuss   zu erstreben, den   Wunsch   nach Sitz   und   Stimme   im   Engeren   Ausschuss,   Teilnahme an den   Konventen,   kurzum einer analogen   Stellung wie die   Rostocks   und   Regelung der   Steuer   nach   billigen   Grundsätzen   geäußert.   Die   darüber   im   Oktober   1828   mit   den   Abgeordneten   des   Engeren   Ausschusses   von Örtzen-Kittendorf   und   Bürgermeister   Müller-Neu-Brandenburg   gepflogenen   Verhandlungen   nahmen   erwünschten   Verlauf,   und   im Dezember   erklärte   der   Landtag   seine   Zustimmung,   indem   nur   7   Mitglieder   aus   Furcht   vor   einer   Stärkung   der   Landschaft   dagegen waren.   Dennoch   musste   die   Stadt   auf   ihren   Wunsch   verzichten,   da   sie   die   von   der   Regierung   zur   Bedingung   gemachte   Abtretung   der Akzise   nicht zugestehen wollte   (7.   Oktober   1829). Als sie   1832 unter dem   Hinweis darauf, dass sie die   Steuern, die sie aufzubringen   habe, doch   mitbewilligen   müsse   und   dass   die   Zweifel   über   die   Gültigkeit   der   Mecklenburgischen   Gesetze   für   Wismar   beseitigt   werden müssten,   wieder   anknüpfte   und   um   vorläufige   Zulassung   zum   Landtag   nachsuchte,   war   die   Stimmung   des   Landtages   umgeschlagen, über die weitere Entwicklung dieser Dinge ist auf das letzte Kapitel zu verweisen.
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