9. Kapitel   Das Kirchenwesen bis zur Reformation.     Eine   Urkunde des großen   Sachsenherzogs   Heinrichs des   Löwen von   1167   bestimmt als   Grenze der   Bistümer   Schwerin   und   Ratzeburg   in der   Wismarschen   Gegend   die   Wissemaraa,   die   Stivine   und   die   Lusnusnizie.   Es   kann   keinem   Zweifel   unterliegen,   dass   damit   der   Lauf des aus dem   Schweriner   See abfließenden   Baches gemeint   ist.   Für die   Strecke der   Stivine gibt der   Name des   Hofes   Steffin einen   Anhalt; ihre   Fortsetzung   in   der   Gegend   von   Kluß   muss   einstmals   Wotrenze   benannt   gewesen   sein,   da   nur   so   die   lange   bestehende   Benennung jener   Mühle   als   Wotrenze-Mühle   erklärlich   wird.   Der   weitere   Verlauf   ist   durch   die   Aufstauung   des   Mühlenteichs   verdeckt.   Schon   dort, vermutlich   von   der   Stelle   an,   wo   sich   die   Flöte   damit   vereinigte,   wird   der   Name   Wismaraa   eingesetzt   haben,   der   dem   untersten   Teil   bis in   die   See   eignete.   Ihr   Lauf   ist   bei   der   Anlegung   des   Bahnhofs   und   der   neuesten   Hafenerweiterung   mehrfach   verlegt   worden.   Da   die Stadt   westlich   vom   Bach   gegründet   ist,   gehörte   sie   zum   Bistum   Ratzeburg,   während   Alt-Wismar   an   der   anderen   Seite   dem   Bistum Schwerin unterstand. Zum   Ende des   Jahres   1237 verlieh   Bischof   Ludolf von   Ratzeburg dem   Propst des   Nonnenklosters   Rehna wie über andere   Kirchen so auch über   die   in   Wismar   erwachsenden   den   Bann   oder   das   Synodalgericht.   Unter   den   Zeugen   erscheint   der   Wismarsche   Pfarrer   Johann.   Es muss also damals   mindestens eine   Kirche   in Wismar   bestanden   haben, andere werden   im   Bau oder geplant gewesen sein.   St.   Marien   ist wohl   etwas vor   1255,   dann   1255   und   gleichzeitig   St.   Georgen,   St.   Nikolai   kurz vor   1258   zuerst   erwähnt.   Der   Raum   des   Kirchspiels von   St. Georgen   muss,   wie   im   ersten   Kapitel   ausgeführt   ist,   schon   vor   1250   der   Altstadt   angegliedert   gewesen   sein.   Da   nach   einer   Urkunde   von 1270,   worin   Herr   Heinrich   von   Mecklenburg   dem   Deutschordenshause   zu   Riga   die   Georgenkirche   übertrug,   er   sie   erst   damals   mit   der Neustadt ausstattete,   kann   ihr   bei   ihrer   Begründung   kein   fester   Pfarrbezirk zugewiesen sein und   müssen wohl auch die anderen   Pfarrer berechtigt gewesen sein für   ihre   Bewohner zu amtieren,   namentlich der von   St.   Marien, dessen   Pfarre weithin   mit der   Neustadt grenzte. Dem   entsprechend   erscheint   dieser   auch   neben   dem   Pfarrer   von   St.   Georgen   in   der   Urkunde   über   die   Ausstattung   des   auf   der   Grenze der   Alt-   und   Neustadt   errichteten   Heiligen   Geist-Hospitals   mit   Kirchhof   und   Gottesdienst   1255   als   Zeuge.   Dagegen   halte   ich   es   für wahrscheinlich,   dass   die   Kirchspiele   von   St.   Marien   und   St.   Nikolai   schon   vordem   sauber   getrennt   waren.   Von   einer   weiteren   oder späteren Veränderung der Pfarrgrenzen in Wismar haben wir keine Kunde. Ich   habe eben einfach von der   St.   Georgen-Pfarre gesprochen.   Dazu   bedarf es einiger   Erläuterung. Aus dem oftmaligen Vorkommen des Alten   Kirchhofs   von   St.   Georgen,   der   vor   der   Stadt   oder   außerhalb   der   Mauern   bei   der   Reiferbahn   gelegen   zu   haben   scheint,   ist geschlossen   und   muss   auch   wohl   geschlossen   werden,   dass   St.   Georg   wie   bei   Lübeck,   Rostock   und   Hamburg   auch   bei   Wismar anfänglich   zum   Patron   eines   nahe   der   Stadt   gelegen   gewesenen   Hospitals   erwählt   war   und   dass   bei   Begründung   der   Neustadt   eine Übertragung stattgefunden   hat,   indem damals das   Hospital weiter   nach Westen verlegt und dem   Heiligen   Jakob, dem   Schutzpatron der Pilger,   untergestellt   ist,   wogegen   die   auf   dem   bisherigen   Hospitalgrund   errichtete   Kirche,   die,   trotzdem   ihr   zunächst   kein   abgegrenztes Kirchspiel   zugewiesen wurde, als   Pfarrkirche anzusprechen sein wird, als   Mitpatron vor allem den   Heiligen   Martin erhalten   hat.   Wären auch   die   Übrigen   aus   späterer   Zeit   erst   bekannten   Patrone   der   Kirche   schon   damals   erwählt,   so   würde   die   Pfarrkirche   nicht   vor   1235 begründet sein   können, da   Elisabeth von Thüringen erst   in   jenem   Jahr   heilig gesprochen   ist.   Aber diese   Mitpatrone   können erst   bei der Weihung    des    im    Anfang    des    14.    Jahrhunderts    neu    erbauten    Thors    eingetreten    sein.    Anders    steht    es    um    St.    Martin,    dessen hervorragende   Bedeutung   für die   Kirche   noch   jetzt an   Altären,   Kirchengestühl   und   in   Wandgemälden offensichtlich   ist.   Nach   ihm   und dem   Drachentöter   Georg, einmal auch   nach   ihm allein wurde die   Kirche   im   13.   Jahrhundert   benannt,   und erst allmählich   trug es   Georg allein   über   ihn   davon.   Ein,   allerdings   ziemlich   verbreiteter,   Irrtum   ist   es   dagegen,   wenn   man   in   neuerer   Zeit   den   älteren   Thorbau   als nach St. Martin und den jüngeren Westbau als nach St. Georg benannt hat ansprechen wollen. Als   Vorsteher   der   Kirchen,   die   das   Vermögen   zu   verwalten   und   über   das   Bauen   zu   entscheiden   hatten,   erscheinen   im   13.   und   14. Jahrhundert   noch   Bürger, seit   1339   bei   St.   Marien,   1381   bei   St.   Nikolai,   1427   bei   St.   Georgen auch   Bürgermeister und   Ratmannen, danach seit dem 15. Jahrhundert meist bei St. Marien und St. Nikolai je zwei Bürgermeister, bei St. Georgen auch noch Ratmannen. Die   Pfarrer wurden vom   Bischof eingesetzt, das   Recht sie   ihm   zu   präsentieren aber stand   nach dem Vertrag von   1260 den   Landesherren zu.   Dieses   Rechts   haben   sie   sich   vorübergehend   entäußert.   Zuerst   das   über   St.   Georgen,   das   Heinrich   der   Pilger   1270   dem   Deutschen Orden   zu   Riga   verlieh,   das   jedoch   1363   wieder   Herzog   Albrecht   sich   zuschrieb,   sein   Sohn   und   Enkel   1398   dem   bischöflichen   Vogt   zu Stove   schenkten.   Die   von   Herrn   Heinrich   dem   Löwen   1321   und   1323   vollzogene   Abtretung   des   Patronatsrechtes   über   St.   Marien   und   St. Nikolai   an   das   Domkapitel   oder   den   Bischof   von   Ratzeburg   steht   z.   T.   gewiss,   z.   T.   aber   sehr   wahrscheinlich   mit   der   Sühne   für   seine Griffe   nach   dem   Kirchengut   in   Verbindung.   Die   des   Öfteren   von   Bischöfen,   Erzbischof   und   Päpsten   bestätigte   Einverleibung   der Kirchen   in das   Dotalgut des   Kapitels oder des   Bischofs, wobei die   Pfarrer durch   mäßig   bezahlte   Pfarrvikare ersetzt werden sollten,   muss jedoch   starkem   Widerstand   begegnet   sein.   Nach   mancherlei   nicht   sehr   erbaulichem   Wechsel   vertrugen   sich   1409   Herzog   und   Bischof und   Kapitel   dahin,   dass   die   Herzöge   das   Recht   zurück   gewannen,   dem   Kapitel   die   für   alle   drei   Kirchen   zu   präsentierenden   zu benennen,   und   dass   von   den   Kirchen   jährlich   zusammen   100   Mark   Lübisch   an   das   Ratzeburger   Kapitel   abgeführt   werden   sollten. Dieser   Vertrag   wurde   1436   kraft   päpstlicher   Vollmacht   von   Bischof   Herman   von   Schwerin   bestätigt.   In   den   achtziger   Jahren   des   15. Jahrhunderts   werden   dann   die   Herzöge   wieder   als   Patrone,   wenigstens   von   St.   Nikolai   bezeichnet.   Das   zu   Anfang   des   15.   Jahrhunderts zwischen   Kapitel   und   Rat   getroffene   Abkommen,   das   dem   Rat   die   Benennung   des   Pfarrvikars   von   St.   Marien   zugestand,   hatte   keine Folge.   Dagegen scheint der Vertrag des   Bischofs   mit den   Bürgermeistern vom   März   1411, wonach   keine   Klostergeistlichen   (also vor allem wohl keine Angehörigen des Ratzeburger Kapitels) die Stellen der Pfarrer einnehmen sollten, gehalten zu sein. Hartnäckige   Kämpfe   verschiedener   Bewerber   um   die   Pfarren   von   St.   Marien   und   St.   Nikolai   sind,   mir   veranlasst   durch   päpstliche Reservationen   und   Provisionen,   um   das   Jahr   1400   zu   verzeichnen   und   haben   bei   St.   Nikolai   erst   1414   ihr   Ende   gefunden.   Genaues wissen wir nicht. Über   die   Bestellung   der   Kaplane   während   des   Mittelalters   sind   wir   durchaus   im   Unklaren.   Neben   ihnen   halfen   sehr   zahlreiche   Vikare —   gegen   150   finden   wir   in   einer   1483   aufgestellten   Liste   —   den   Gottesdienst   reich   und   herrlich   gestalten.   Diese   Vikare   wurden   mit wenig    Ausnahmen    von    den    Stiftern    der    Vikareien    oder    deren    Rechtsnachfolgern,    Korporationen    (besonders    den    Ämtern)    oder einzelnen   Personen, vielfach aber gemäß den   Stiftungsurkunden vom   Rat präsentiert.   Ihr   Einkommen war dürftig,   meist wohl eben zur Lebensfristung   hinreichend,   und es   mussten   bei   fortschreitender   Entwertung des   Geldes   und sinkendem   Zinsfuß   im   15.   Jahrhundert   in vielen   Fällen   Vikareien   zusammengelegt   werden.   Nur   Vikare   mit   einigem   Vermögen   oder   solche,   die   mehrere   Vikareien   erlangt   hatten, mochten   behaglich   leben   können.   Dass   das   aber   nicht   die   Regel   war,   dafür   sorgte   die   Bestimmung   vieler   Stiftungsurkunden,   wonach die Vikareien nur armen Priestern ohne ein anderes Lehen verliehen werden durften. Diese    zahlreichen    Geistlichen    vereinigten    sich    zu    verschiedenen    Verbänden,    zu    Bruderschaften,    Kalanden    und    Kollation.    Die Bruderschaften   der   gemeinen   Vikare   hatten   sich   die   Aufgabe   gestellt,   für   ihre   Mitglieder   Memorien   abzuhalten.   Daneben   mögen   sie den   Zweck   gehabt   haben,   die   gemeinschaftlichen   Interessen   wahrzunehmen.   Sie   treten   uns   seit   1406   in   vielen   Rentenkäufen   entgegen. In   den   Kollatien,   die   mindestens   seit   dem   Ausgang   des   15.   Jahrhunderts   bei   jeder   Pfarrkirche   über   eigene   oder   gemietete   Häuser verfügten   —   noch   im   19.   Jahrhundert   erinnerte   der   "Papenklas"   in   der   Bliedenstraße   daran   —   wurden   gemeinschaftliche   Mahle abgehalten   und   Geselligkeit   gepflegt.   Das   älteste   Zeugnis   dafür   bietet   das   Testament   des   Priesters   Konrad   Vesperde   von   1406,   wonach die Vikare von St. Georgen zweimal im Jahr solche Kollationen hatten. Kalande   bezweckten   in   erster   Linie   Begängnisse   und   Memorienfeiern   für   hingeschiedene   Mitglieder.   Sie   setzten   die   schon   im   8. Jahrhundert   bezeugten   Totenbünde   fort.   Aus   der   älteren   Zeit,   wo   die   Zusammenkünfte   an   den   Kalenden   der   Monate   stattfanden, stammt   die   Benennung   als   Kalande,   obgleich   man   sich   später   in   Norddeutschland   wohl   allgemein   mit   zwei   oder   vier   Versammlungen im   Jahre   begnügte.   So   sicher   in   Wismar   von   Anfang   an,   indem   der   Große   Kaland   zweimal   im   Jahr,   der   Mindere   und   die   Marien- Gertruden-Bruderschaft   viermal   zusammenkamen.   Sehr   zweifelhaft   ist,   ob   die   Mahlzeiten   so   allgemein   in   Schlemmereien   ausgeartet sind,   wie   oft   behauptet   wird.   Bei   denen   des   Großen   Kalandes   sollte   Gottes   Wort   verlesen   werden.   Kommentmäßiges   Zutrinken   war verboten,   Spieler   sollten   nicht   geduldet   werden.   Lübecker   Kalande   nahmen   sich   der   Armen   an.   Die   Nachricht   Schröders   von   einem Siechenhause des Minderen Kalandes in der Papenstraße beruht auf einem Lesefehler. In   Wismar   bestanden   zwei   Kalande.   An   dem   Großen   oder   dem   Herren   Kalande   des   Landes   Bresen   nahmen   anfangs   außer   den Wismarschen   Geistlichen   nur   die   Priester   aus   der   westlichen   Nachbarschaft   teil.   Als   Gründungsjahr   muss   1282   angesehen   werden,   wo sich   die   Geistlichen   des   Landes   Bresen   und   des   Archidiakonats   Rehna   zu   Memorien   für   Bischof   Ulrich   von   Ratzeburg   verpflichteten, während   zuerst   eine   der   beiden   jährlichen   Memorienfeiern   in   Wismar,   die   andere   in   Grevesmühlen   gehalten   war,   fand   die   seit   einiger Zeit üblich gewordene Verlegung   beider   nach Wismar   1413   bischöfliche   Billigung.   Im   Jahre   1422 wurde der   Bruderschaft   bei   Bestätigung ihrer    Privilegien    erlaubt,    außer    Priestern    und    Klerikern    auch    andere    Personen    beiderlei    Geschlechts    aufzunehmen,    und    dem entsprechend   enthält   die   Mitgliederliste   in   dem   um   1440   angelegten   Buch   des   Kalandes   außer   Priestern   aus   der   Stadt   und   ihrer Umgegend   eine   ganze   Anzahl   von   Ratmannen   und   Bürgern   mit   und   ohne   Frauen,   daneben   Witwen   und   Jungfrauen,   auch   Adlige   und an der Spitze der Laien die Herzogin selbst. Der   Mindere   Kaland   ist   zufrühest   1327   als   Wismarscher   Kaland   durch   einen   Kaufbrief   bezeugt.   Schon   damals   gehörten   ihm   neben Priestern auch   Laien an.   Bestätigt wurde er   1346.   Zehn   Jahre später setzte er als   Höchstzahlen   für die   Mitgliedschaft   30   Priester,   8   Laien und   14 Witwen und   Jungfrauen   fest.   Nur die   Priester   hatten   bei Aufnahme   neuer   Mitglieder   Stimme.   In den   Jahren   1371 und   1386 erhielt er neue bischöfliche Bestätigungen und das ausschließliche Privileg für das Begängnis von armen Priestern und Klerikern in Wismar. Hatte   sich   in   dem   Bemühen   um   dies   Privileg   die   Besorgnis   vor   dem   Entstehen   einer   neuen   Bruderschaft   mit   ähnlichen   Zwecken gezeigt, so traten wirklich   1396 Vikare,   Offizianten und unbepfründete   Priester zu einer solchen zusammen und fanden die   Bestätigung des   Bischofs.   Diese   Marien-   und   Gertruden-Bruderschaft   oder   Elenden-Bruderschaft   setzte   sich   zum   Ziel,   für   die   verstorbenen   Brüder Begängnisse und   Memorien abzuhalten, widmete sich aber auch sonst gottesdienstlichen Zwecken.   Bei der   Bestätigung von   1426 verlieh ihr   der   Bischof   das   Recht,   auch   für   das   kirchliche   Begräbnis   und   Memorien   von   Nichtmitgliedern,   Fremden   und   Armen   beiderlei Geschlechts   zu   sorgen.   Er   gestattete   zugleich   die   Aufnahme   von   12   Laien   samt   ihren   Hausfrauen,   während   der   Rat   noch   in   der Bürgersprache   von   1417   St.   Marien-   oder   Gertruden-   oder   Olafs-Gilden   verboten   hatte.   Der   Mindere   Kaland,   dessen   ältere   Rechte beeinträchtigt   waren,   scheint   beim   päpstlichen   Stuhl   Einspruch   erhoben   zu   haben.   Doch   führte   die von   einem   Kommissar   eingeleitete Untersuchung   1429 zur   Bestätigung der   neuen   Bruderschaft, wenn auch unter Vorbehalt der   Rechte der Wismarschen   Pfarrer und   jedes anderen. Über   den   Kaland   der   Zwölf   Brüder   sind   wir   nur   mangelhaft   unterrichtet.   Der   Name   begegnet   uns   zuerst   am   14.   Februar   1440,   die Bruderschaft    aber    schon    1397.    Sie    scheint    aus    Ratmannen,    Bürgern    und    Adligen    bestanden    zu    haben    und    durchaus    eine Laienbruderschaft gewesen zu sein, so dass sie, genau genommen,   nicht   in diesen   Zusammenhang gehört.   Der   Name   hat   natürlich eine gelegentliche Überschreitung der Mitgliederzahl nicht ausgeschlossen. Die   Klostergeistlichkeit   war   in   den   Bettelorden   der   Franziskaner   oder   der   Grauen   Mönche   und   der   Dominikaner   vertreten.   Noch   jetzt wird   die   Erinnerung   daran   durch   den   Namen   Mönchkirchhof   für   jene   und   bei   der   Klosterkirche   für   diese   wach   gehalten.   Die   Grauen Mönche   waren   schon   um   die   Mitte   des   13.   Jahrhunderts   —   wohl   1251   —   in   die   Stadt   eingezogen.   Die   Dominikaner   oder   Schwarzen Mönche   folgten   ihnen   vierzig   Jahre   später   nach   (1292).   Damals   war   die   Stadt   bereits   genügend   gefestigt   und   so   gewitzt,   dass   sie   ihre Bedingungen   stellte.   Es   wurde   den   Dominikanern   die   Verpflichtung   auferlegt,   der   Stadt   Beistand   zu   leihen,   wenn   sie   etwa   von   der Geistlichkeit   beschwert   würde,   und   Sendungen   für   sie   auszuführen,   an   Sonn-   und   Festtagen   aber   nach   Mittag   in   St.   Marien   zu predigen.   Sie   sollten   außerdem   nicht   von   Tür   zu   Tür   Malz   oder   Korn   erbitten   noch   das   ihnen   zugewiesene   Grundstück   durch   Kauf erweitern.   Endlich erkannten sie, wie   im   Kapitel   berichtet   ist, an, dass   nach der   Ordnung des   Lübischen   Rechts verfahren werden solle, wenn ihnen Liegenschaften vermacht würden. Welche    Stellung   die    Pfleger    —   als   oberste    Pfleger   werden   einmal    zwei    Bürgermeister   genannt    —   eingenommen    haben,   die    in Geldangelegenheiten   der   Franziskaner   erscheinen,   ist   nicht   klar.   Als   1493   der   Verdacht   bestand,   dass   diese   Kleinodien   fortzuschaffen beabsichtigten,   mahnte   Herzog   Magnus den   Rat   Obacht zu geben.   Bei den   Dominikanern   begegnen   1429,   1462 und   1494   Bürgermeister als   Vorsteher   oder   Pfleger,   obgleich   1294   abgemacht   war,   dass   sie   sich   nicht   dieselben   Patrone   gewinnen   sollten,   die   den   Pfarrkirchen und   den   Hospitälern   zugeordnet   wären.   Mit   Erlaubnis   eines   Bürgermeisters   haben   die   Mönche   1492   einen   Kirchendieb   in   ihrem Kapitelhause    gegeißelt.    Eine    Reformation    des    Klosters    ist    1467    unter    dem    Schutz    des    Herzogs    und    des    Rates    (der    die    Kosten vorstreckte)    durchgeführt.    Die    Klosterbrüder    entsagten    für    den    Fall,    dass    sie    von    ihrem    Orden    abfielen,    allen    Renten    und Almosenstiftungen   in   Mecklenburg   und   in   Wismar   und   räumten   dem   Herzog   und   dem   Rat   die   Verfügung   darüber   ein.   Um   dieselbe Zeit   (vor   1476)   hatte   der   Rat   Kleinodien   und   Reliquien,   die   der   Prior   Johann   Brakel   und   seine   Partei   nach   Lübeck   verbracht   hatten, zurückholen lasten. Über   die   Zahl   der   Insassen   des   Schwarzen   Klosters   sind   wir   nicht   unterrichtet,   das   Graue   zählte   1503   deren   40.   Im   13.   und   14. Jahrhundert   wurde   eine   ganze   Reihe   von   Fürstlichkeiten   in   der   Kirche   der   Franziskaner   begraben.   Dagegen   erwählten   sich   später   die Herzogin   Sophie   und   ihre   Schwester   Margarete   sowie   eine   große   Anzahl   Ratmannen   und   hervorragender   Bürger   ihre   Ruhestätte   bei den    Dominikanern.    Es    übten    also    umgekehrt    wie    in    Lübeck    die    Dominikaner    auf    die    vornehmeren    Familien    die    größere Anziehungskraft aus. Auch auswärtige Klöster haben in Wismar Niederlassungen gehabt. Darüber wurde Näheres im 3. Kapitel mitgeteilt. Wismarsche   Bürgersöhne   sind   gegen   Ende   des   15.   Jahrhunderts   als   Mönche   in   Lehnin   und   auch   wohl   in   Cismar   nachzuweisen, Bürgertöchter   als   Nonnen   in   fast   allen   Mecklenburgischen   Klöstern,   besonders   in   Neukloster,   Dobbertin   und   Rühn,   aber   auch   in Rehna,   Ribnitz,   Rostock   und   Wanzka.   In   den   Jahren   1499   und   1526   finden   wir   außerdem   zwei   aus   Cismar   stammende   Nonnen   in   St. Agneten   zu   Magdeburg.   Gegen   übermäßigen   Aufwand   bei   der   Geleitung   ins   Kloster   wandte   sich   schon   das   Lübische   Recht,   in   Wismar aber eine Willkür von   1360 und später verschiedene   Bürgersprachen.   Es sollten dabei   nicht   mehr als vier Wagen   benutzt werden und die Begleitung   aus   höchstens   16   Bewaffneten   mit   ihren   Dienern   bestehen.   Vorher   war   festgesetzt   worden,   dass   zur   Begleitung   nicht   mehr als 8 Männer und 8 Frauen gebeten werden dürften. Nicht   völlig   klösterlich,   aber   doch   nach   klösterlichem   Vorbild   lebten   die   Beginen.   Schon   1283   waren   solche   in   der   Stadt   ansässig,   und bald   darauf   (1287)   erscheinen   zwei   Konvente,   seit   dem   Anfang   des   14.   Jahrhunderts   deren   drei.   Es   sind   der   Blaue   oder   Klumpsülvers Konvent   bei den   Minoriten   in der   Schulstraße, der   Krukowen oder   Unser   Lieben   Frauen-Konvent   in der   Beginenstraße,   Ploten oder der Graue    Konvent,   der    zuerst    1302   erwähnt   wird.    Alle   drei    bestehen   als    Witwen-   oder    Gasthäuser    fort,    Klumpsülvers    Konvent   als Schabbeltsches    Gasthaus,    Ploten    Konvent    ebenfalls    in    der    Schulstraße    (mindestens    seit    1704)    als    Blauer    Konvent.    Die    Beginen widmeten   sich   (auch   wohl   in   Wismar)   vorzugsweise   der   Krankenpflege,   sonst   dienten   sie   als   Klageweiber   (Köln),   gaben   Unterricht   in Handarbeit   (Leiden)   oder   nährten   sich   vom   Weben   (Köln).   In   Wismar   stellten   sie   auch   die   Lichte   für   Hochzeiten   her   und   fanden   sich zu   diesem   Zweck   vorher   im   Hochzeithause   ein.   Sie   stammten   keineswegs   immer   aus   den   niederen   Schichten,   übertriebenem   Aufwand bei Aufnahmen in die Konvente suchte der Rat durch Verordnungen zu steuern. — Beggarden werden in Wismar nur einmal erwähnt. Von   unvergleichlich   größerer   Wichtigkeit   für   die   Stadt   als   die   Klöster   waren   das   Haus   zum   Heil.   Geist   und   das   Hospital   St.   Jakobs, zumal   das   erste.   Es   begegnet   gleich   auf   den   ersten   Blättern   des   ältesten   Stadtbuchs,   also   um   1250,   urkundlich   aber,   Landbesitz erwerbend,   schon   1253.   Nach   einer   seiner   frühesten   Urkunden   war   seine   Bestimmung,   in   täglichen   Almosenspenden   Werke   der Barmherzigkeit zu üben,   Kranke zu erquicken, Arme und   Bekümmerte zu trösten,   Dürftige, die   kein   Unterkommen   finden   könnten, zu herbergen.   Bereits   1255   gestand   auf   Bitte   des   Rates   der   Bischof   die   Anlegung   eines   Kirchhofs   zu   und   gestattete   Gottesdienst   für   die Siechen.   Vielleicht von   Anfang   an   hatte   das   Pfründenwesen   Raum,   mindestens   muss   es   sich   früh   entwickelt   haben,   so   dass   namentlich ältere   alleinstehende   Leute,   seit   den   vierziger   Jahren   des   14.   Jahrhunderts   auch   Ehepaare   sich   Wohnung   und   vollen   oder   teilweisen Unterhalt   für   den   Rest   ihres   Lebens   erkauften.   Die   besten   Wohnungen   lagen   am   Kirchhof,   das   neue   Haus   kommt   1435,   das   lange   Haus 1455   zuerst   vor.   Manche   Pfründner   wohnten   im   Keller,   einige   im   dunklen   Keller.   Wahrscheinlich   haben   die   Pfründner   Gehorsam   und Keuschheit   geloben   müssen.   Ihr   Nachlass   fällt   noch   jetzt   dem   Hospital   zu.   Der   rasch   und   ansehnlich   anwachsende   Besitz   des   Heiligen Geistes   stand   von   Anfang   an   unter   der   Aufsicht   oder   Verwaltung   des   Rates   oder   der   Bürgermeister,   wie   z.   B.   der   Rat   schon   vor   1300 Eigentum   des   Hospitals   aufließ   und   Leibrenten   daraus   verkaufte.   Seit   dem   Ausgang   des   14.   Jahrhunderts   wird   kein   wichtigeres Geschäft   ohne   Mitwirkung   der   beiden   Bürgermeister   vollzogen,   die   dem   Hospital   Vorständen.   Auch   sind   die   ältesten   Urkunden   mit denen   der   Stadt   in   einem   nach   Verlust   der   Originale   authentifizierten   Kopiar,   dem   Privilegienbuche,   vereinigt.   Die   große   Wirtschaft wurde   durch   einen   (zeitweise   auch   zwei)   Hofmeister   besorgt.   Die   Anstellung   des   Priesters   zum   Heil.   Geist   war   schon   1255   von   der Genehmhaltung   des   Rates   abhängig,   1269   überließen   oder   anerkannten   Bischof   und   Landesherr   dem   Rat   das   Recht   einen   solchen einzusetzen. Dass   St.   Jakobs   Nachfolger   des   älteren   St.   Georgs-Hospitals   geworden   ist,   war   vorher   zu   zeigen.   Es   begegnet   uns   als   Aussätzigen- Hospital   ohne   den   Namen   seines   Patrons   zuerst   um   1260,   danach   vielfach   schlechtweg   als   Hospital   und   erst   in   den   neunziger   Jahren des   13.   Jahrhunderts   als   St.   Jakobs,   1340   als   Leproserie   oder   St.   Jakobs   Haus.   1455   erscheinen   die   armen   und   verwiesenen   Leute,   auch noch   nach   1480   einmal   die   Aussätzigen.   Im   Jahre   1459   hatte   St.   Jakobs   5,   1461   6   Insassen.   Sehr   geschreckt   kann   das   Hospital   die Gesunden   nicht   mehr   haben   (wie   man   sich   überhaupt   wohl   die   Absperrung   strenger   vorstellt,   als   sie   in   Wirklichkeit   war),   da   1467   der Bürgermeister   Langejohann   dort   das   Ergebnis   der   Verhandlungen   über   seine   Rückkehr   abwarten   und   1481   der   Ratzeburger   Bischof   in der   Kirche   mit   Ratssendeboten   verhandeln   wollte   (wie   schon   1416   Bischof   Detlef   dort   beurkundet   hat).   Erloschen   war   jedoch   der Aussatz   um   jene   Zeit   noch   nicht.   Im   Jahre   1517   traf   der   Kardinal   Luigi   d   Aragona   zahlreiche   Aussätzige   in   Deutschland   und   den Niederlanden,   und   in   Wismar   begegnet   nicht   nur   noch   1533   Klawes   Krevet,   den   " godt   midt   der   uthsettescheidt "   beladen,   sondern   es waren   auch   das   ganze   16.   Jahrhundert   hindurch   Aussätzige   in   St.   Jakobs,   der   letzte   starb   1639.   Sie   waren   beim   Gottesdienst   auf   eine Kapelle   beschränkt,   die   von   der   Kirche   durch   ein   Gitter   abgeschlossen   war.   Das   Abendmahl   erhielten   sie   im   16.   Jahrhundert   mit verhülltem Angesicht und aus einem   besonderen   Reich, wie auch   besonders große   Oblaten für sie verwendet wurden.   Ein   Bad für Arme zu   St.   Jakobs   stiftete   1324   Wilken   Daligendorp.   Auch   in   diesem   Hospital   gab   es   ebenso   wie   im   Heil.   Geist   Pfründen.   Ebenfalls   übte   der Rat   die   Aufsicht   und   bestellte   die   Hofmeister,   neben   denen   Ratmannen   als   Vorsteher   bezeugt   sind.   Im   Jahre   1400   kaufte   der   Rat   als Vorsteher   des   Hospitals   Groß-   und   Klein-Woltersdorf   und   bezeugte   1407,   dass   dies   an   Klein-Woltersdorf   kein   Recht   habe.   Die   Kapelle wurde   1631   zerstört,   der   Hof   aber,   um   die   Wirtschaft   zu   verbilligen,   1552   zuerst   an   den   bisherigen   Hofmeister   verpachtet   worden.   Das Armenstift selbst wurde 1675 abgerissen und niedergebrannt, nachdem die letzte Pfründnerin schon zehn Jahre vorher verstorben war. Außerhalb   der   Stadt,   aber   aus   dem   Stadtgebiet   sind   noch   die   Kapelle   von   Alt-Wismar   und   die   Klause   eines   Eremiten   zu   erwähnen, beide   im   Bereiche   des   Bistums   Schwerin.   Die   dem   heiligen   Kreuze   geweihte   Kapelle   ist   auf   Betreiben   einiger   Bürger   nach   1475   auf   dem Kirchhof   von   Alt-Wismar   (zwischen   Soldaten-Kirchhof   und   Mühlenteich)   erbaut   und   1481   Nov.   1   geweiht   worden.   Die   ehemalige Pfarrkirche   dort   wird,   nachdem   die   Pfarre   gegen   den   Ausgang   des   13.   Jahrhunderts   nach   Hornstorf   verlegt   war,   allmählich   verfallen gewesen   sein.   Bestanden   hat   die   neue   Kapelle   bis   1563,   wo   sie   abgebrochen   ist,   um   Steine   für   die   erste   Wasserkunst   zu   gewinnen.   Der Kirchhof ist noch längere Zeit zum Begraben von Selbstmördern. Hingerichteten und Sektierern gebraucht. Von   der   Klause   jenseits   des   Mühlbachs   bei   Kluß   hören   wir   zuerst   1467,   wo   Dietrich   Bützow   zu   Grese   eine   Messe   in   der   dort   aufs   Neue zu   erbauenden   Kapelle   ausstattete.   Im   Jahre   1475   erlangte   Katharina   Wulf,   eine   Tertiärschwester   des   Franziskaner-Ordens   dafür   (für das   Eremitenhaus   der   heiligen   Dreifaltigkeit)   in   Rom   einen   Ablass   von   zehn   Kardinälen.   Herzog   Johans   Albrecht   beabsichtigte   sie abzubrechen, als er den Fürstenhof ausbaute. Im   Anfang   dieses   Kapitels   ist   berichtet,   dass   1237   dem   Propst   von   Rehna   der   Bann   über   die   Wismarschen   Kirchen   verliehen   war. Hundert   Jahre   später   1331   kam   Bischof   Markwart,   der   in   seinem   Streit   mit   dem   Rat   ein   angesetztes   Sentgericht   hatte   ausfallen   lassen, mit   diesem   überein,   dass   der   Propst   von   Rehna   alle   geistliche   Gerichtsbarkeit   in   der   Stadt   nach   altem   Herkommen   und   nach   den darüber   vorhandenen   Urkunden   ausüben   solle.   Dabei   stieß   aber   der   Propst   1375,   wie   er   dem   Bischof   klagte,   auf   den   Widerstand   der Pfarrer,   die   sich   weigerten,   seine   im   Sentgericht   erlassenen   Mandate   auszuführen.   Als   daraufhin   der   Bischof   jenen   bei   Strafe   des Bannes   geboten   hatte   das   zu   tun,   versah   es   der   Propst   darin,   dass   er   sich   für   befugt   hielt,   nun   über   die   offenbar   immer   noch widerstrebenden   den   Bann   zu   verkünden.   Jetzt   klagten   diese   mit   der   Begründung,   dass   der   Propst   weder   nach   Recht   noch   alter Gewohnheit eine   Gerichtsbarkeit   habe, und erreichten, dass der   Bischof den   Geistlichen die Verkündung des   Bannes untersagte, den er nur   angedroht   habe,   der   aber   nicht   habe   gleich   bei   Ungehorsam   in   Kraft   treten   sollen.   Was   weiter   geschehen   ist,   ist   nicht   bekannt.   Es gibt   aber   noch   Zeugnisse   für   das   regelmäßige   Abhalten   des   Sentgerichts   in   den   Tagen   nach   Reminiseere   aus   der   zweiten   Hälfte   des   15. Jahrhunderts, das letzte von 1492. Verschieden von   dem   regelmäßig   einmal   im   Jahr   gehaltenen   Synodal-   oder   Sentgericht   mit   Erforschung   und   Bestrafung von   Verstößen gegen   die   Sittenordnung   und   die   kirchlichen   Vorschriften   über   den   Lebenswandel   war   die   Geistliche   Gerichtsbarkeit,   die   auszuüben seit   1337   der   Bischof   einen   Offizial   in   der   Stadt   hielt.   Dieser   war,   wenn   er   den   weltlichen   Arm   brauchte,   stets   auf   den   guten   Willen   des Rates angewiesen. Natürlich   blieben   Reibereien   und   Übergriffe der   Gerichtsgewalten   nicht aus.   Im   Jahre   1416 versprach der   Rat   seinen   Gerichtsvögten,   sie dafür   schadlos   zu   halten,   dass   sie   auf   sein   und   der   Hundert   Geheiß   eine   Anzahl   Priester   und   Kleriker   hatten   gefangen   setzen   helfen. Ein   Güstrower   Priester   beschwerte   sich   am   31.   Januar   1487,   dass   man   seinem   Kaplan   ein   Pferd   beschlagnahmt   und   ihn   genötigt   habe Bürgen   zu   stellen.   Dadurch,   dass   ein   Bürgermeister,   wie   oben   angeführt,   den   Dominikanern   erlaubt   hatte,   einen   Kirchendieb   in   ihrem Kapitelsaal   zu   geißeln,   fühlte   sich   1492   der   Bischof   gekränkt   und   forderte   Genugtuung.   Ebenso   klagte   er   im   folgenden   Jahre,   dass   der Rat seinem Offizial verboten habe über Bürger zu richten. Eine ganze   Reihe   Zwistigkeiten   zwischen   Bischof   und   Rat   um   Gerichtsgewalt,   Patronatsrechte, Testamente   und   Rechnungslegung   über die   Marienzeiten wurden unter Vermittlung des   Bischofs von   Schwerin und   herzoglicher   Kommissare   1504 durch Vertrag   beigelegt.   Der Bischof   verhieß,   wie   herkömmlich   zu   Aburteilung   aller   dem   bischöflichen   Gericht   zustehenden   Klagen,   soweit   er   nicht   in   besonders wichtigen   Fällen selbst richten   müsse, einen tüchtigen   Offizial   in Wismar zu   halten.   Dieser sollte   insbesondere   befugt sein, Testamente (Geistlicher)   zu   bestätigen   und   die   Rechnung   der   Testamentsvollstrecker   zu   prüfen.   Alle   weltlichen   Sachen   sollten   dem   Rat   oder   dem städtischen     Gericht     zustehen,     und     unredliche     Übertragungen     von     Ansprüchen     an     Geistliche     nicht     geduldet     werden. Testamentsvollstrecker   sollte   jedermann   nach   seinem   Willen   ernennen   dürfen,   Präsentationsrechte   zu   geistlichen   Lehen   sollten   nicht beeinträchtigt   werden.   Zehn   Jahre   später,   am   4.   Juli   1514   bestätigte   Bischof   Heinrich   den   Mitgliedern   des   Großen   und   des   Minderen Kalandes    ihre    Privilegien    in    Bezug    auf    das    Gnadenjahr    und    die    Testierungsfreiheit    und    verlieh    denen    der    Marien-    und Gertrudenbruderschaft   die   selben   Rechte.   Desgleichen   räumte   er   auf   Anhalten   des   Wismarschen   Klerus   für   seine   Lebenszeit   dem dortigen   Offizial   die   Befugnis   ein,   Testamente   zu   bestätigen   und   die   Rechnungen   der   Testamentarien   aufzunehmen.   Dabei   behielt   er vor,   dass   die   Testamentarien   der   Mehrzahl   nach   geistlich   sein   müssten,   die   Übrigen   sich   aber   eidlich   verpflichteten,   wegen   der Testamente keine weltliche Behörde anzurufen. Oft   genug   mochte   die   Stadt   unter   dem   Missbrauch,   den   geistliche   Richter   mit   Bann   und   Interdikt   trieben,   gelitten   haben,   da   nach deren   Belieben   ein   Aufenthalt   Gebannter   oder   mit   Interdikt   Belegter   für   die   Stadt   auch   nach   derem   Entfernung   noch   Wochen   und Monate   lang   ein   Aufhören   des   Gottesdienstes   und   kirchlichen   Begräbnisses   nach   sich   ziehen   konnte.   Nach   längeren   Bemühungen   in Rom glückte es   1398 ein päpstliches   Privileg zu erhalten, das den   Gottesdienst gleich   nach Austreibung oder   Entfernung   Gebannter und Interdizierter   freigab.   Wenig   später   (1400)   erlangte   Wismar   sogar   die   Gunst,   dass   seine   Bürger   nicht   vor   auswärtige   geistliche   Gerichte geladen   und   die   Stadt   nur   auf   besonderen   päpstlichen   Befehl   mit   Interdikt   sollte   belegt   werden   können.   Der   Abt   von   Doberan   wurde beauftragt   Wismar   darin   zu   schützen.   Durchaus   gesichert   war   man   auch   dadurch   nicht,   wenigstens   verhängte   1485   der   Ratzeburger Bischof   wegen   eines   Berkhahn   auf   Poel   Interdikt   über   die   Stadt.   Der   Rat   ließ   die   Pfarrer   und   die   beiden   ältesten   Vikare   jeder   Kirche vorladen und fragte sie   in   Gegenwart vieler   Bürger, ob sie singen wollten oder   nicht.   Jene vermieden aber eine   klare Antwort und fragten beim Bischof an, der sich darauf beim Rat beschwerte und seine Gerichtsgewalt aufrecht erhielt. Überhaupt   fehlte es   nicht an   Zündstoff, aus dem   jeder   Zeit die   Flamme der   Zwietracht auflodern   konnte.   Man   braucht   nur die   um   1400 für   eine   Kirchenvisitation   im   Bistum   Ratzeburg   aufgestellten   Fragen   durchzulesen,   um   sich   darüber   klar   zu   werden.   Einmal   wird Wismar   darin   geradezu   genannt.   Es   liegt   aber   auf   der   Hand,   dass   auch   andere   Fragen   nur   in   Beziehung   darauf   gestellt   sein   können.   Es soll   gefragt   werden,   ob   eine   Stadt   Willküren   zum   Nachteil   der   Kirche   oder   Geistlicher   erlassen   habe,   ob   die   Zahl   der   Teilnehmer   an Leichenbegängnissen,    am    Siebten    oder    am    Dreißigsten    oder    am    Jahrestag,    an    Verlöbnissen    oder    Hochzeiten    beschränkt,    ob Bestimmungen   über   das   Opfern   von   viertel   oder   halben   Pfennigen   getroffen   seien,   so   dass   keiner   mehr   opfern   dürfe,   was   und   so   oft   er wolle,   ob   Ratmannen   oder   Bürger   als   Testamentsvollstrecker   Vermächtnisse   zu   kirchlichen   oder   frommen   Zwecken   zurückhielten,   ob sie   auch   die   Bestätigung   von   neuen   kirchlichen   Lehen   nachsuchten,   wer   Küster   und   Glockenläuter   anstelle,   ob   nicht   trotz   Interdikts die Glocken geläutet und Gräber ausgehoben würden. Das Verbot,   Grundbesitz   in geistliche   Hand zu   bringen,   konnte stets als die   Kirche   beeinträchtigend ausgelegt werden.   Um   1295 war die Zahl der Teilnehmer am   Kirchgang der   Braut   und seitdem auch die der   Hochzeitsgäste   beschränkt.   Über das   Leichengefolge wurde   1417 und   1418   gewillkürt.   Beschränkungen   der   Opfer   sind   nicht   bekannt.   Es   wurden   aber viertel   und   halbe   Pfennige   mindestens von   1379   an geprägt. Sonst   hätten   noch   das   Verbot   für   Geistliche,   sich   mit   dem   Kreuz   und   in   Prozession   am   Begräbnis   von   Laien   zu   beteiligen,   die Beschränkung   der   Folge   bei   der   Taufe   und   beim   Kirchgang,   das   Verbot,   vor   geistlichen   Richtern   zu   klagen   oder   Forderungen   an Geistliche   zu   übertragen,   die   Willkür   über   Zuständigkeit   der   Gerichte   bei   Tätlichkeiten   zwischen   Geistlichen   und   Bürgern,   das   Verbot, Waffen   zu   tragen,   nächtlich   auf   den   Straßen   zu   schweifen   oder   fremde   Geistliche   oder   Schüler   längere   Zeit   zu   beherbergen,   die Heranziehung der Renten von Nichtbürgern zu Außenschoss Anlass zu Streit geben können. Wenn   bei   alledem   Geistliche   und   Stadt   durchweg   in   Frieden   und   Gutem   mit   einander   ausgekommen   sind,   so   kann   der   Grund   nur   in dem   Umstand   gefunden   werden,   dass   die   Stellung   des   Rates   und   der   Bürgerschaft   gegenüber   der   Kirche verhältnismäßig   stark   war   und dass man es beiderseits für das beste angesehen haben wird, sich in Schranken zu halten und die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben. Ein   wirklich   ernsthafter   Zwist   ist   nur   einmal   ausgebrochen,   als   im   dritten   Jahrzehnt   des   14.   Jahrhunderts   Bischof   Markwart   eine Wohnung   in   der   Stadt   haben   und   mit   den   Einkünften   Wismarscher   Vikareien   Domherrenpfründen   ausstatten   wollte.   Doch   war darüber in anderem Zusammenhang ausführlicher zu handeln. Wiederholt   hat der   Rat   in   Streitigkeiten vermittelt, die zwischen dem Wismarschen   Klerus und seinem   Diözesan und dem   Ratzeburger Domkapitel    namentlich    um    geforderte    Steuern    entstanden    waren.    Er    hat    dabei    auch    wohl    die    Stellung    eines    Schiedsrichters eingenommen. Auch   die   großen   Angelegenheiten   der   Römischen   Kirche   haben   Wismar   nicht   unberührt   gelassen.   Im   Jahre   1382   belobte   der   in   Rom residierende   Papst   Urban   die   Stadt   wegen   ihrer   Haltung   im   Schisma   und   beglaubigte   einen   Legaten   bei   ihr.   Ein   Lob   sehr   zweifelhaften Wertes.   Auch   später   stand   Wismar   entsprechend   der   vom   nördlichen   Deutschland   angenommenen   Haltung   auf   Seiten   der   Päpste   in Rom.   Zu   dem   Konstanzer   Konzil,   das   das   Schisma   beseitigen   sollte   und   beseitigt   hat,   waren   am   6.   August   1414   auch   die   Hansestädte durch   König   Siegmund   eingeladen.   Der   Zusammenhang   der   Städte   aber   war   durch   den   Sturz   des   rechtmäßigen   Rates   in   Lübeck, Rostock   und   Wismar   gelöst,   was   es   Wismar   sehr   erschwerte   einen   Entschluss   zu   fassen.   Wahrscheinlich   hat   es   doch   einen   Ratsherrn nach   Konstanz geschickt,   zumal da dort auch   über eigene   Angelegenheiten   zu verhandeln war.   Nochmals   ist am   1.   Februar   1417   Wismar und   sind   vermutlich   auch   andere   verwandte   Städte   im   Auftrag   des   Königs   geladen,   und   diesmal   ist   es   neben   Lübeck,   Hamburg   und Lüneburg sicher vertreten gewesen. Von   Ketzerei   in   Wismar   wird,   obgleich   das   dortige   Dominikanerkloster   wahrscheinlich   mehr   Ketzerinquisitoren   als   den   allein   bekannt gewordenen   Bernd   Rode   unter   seinen   Insassen   zählte,   nur   ein   Fall   berichtet,   indem   Korner   erzählt,   dass   der   eifrige   Inquisitor   Eilard Schönfeld   1403   den   Beggarden   Bernhard   als   hartnäckigen   Ketzer   hat   verbrennen   lassen.   Öfter   sind   Anschuldigungen   wegen   Zauberei vorgekommen, wie auch   bei der vorher   berührten Visitation   in der   Ratzeburger   Diözese um   1400   Nachforschungen darüber angeordnet waren.    Man    begnügte   sich    in   Wismar    in   den   ersten    Jahrzehnten   des    15.    Jahrhunderts,   die    Beschuldigten   zwecks    Untersuchung gefangen zu setzen, sie der Stadt zu verweisen oder auch stäupen zu lassen. Hinrichtungen sind von 1496 und 1512 bekannt. Die   Frage, wieweit die   kirchliche   Lehre das Volk   und   sein   Leben durchdrungen   hat,   schwer   zu   beantworten   überhaupt,   lässt   sich   in der Geschichte   einer   Stadt   nicht   erörtern.   Zu   Tage   treten   die   Zeichen   einer   außerordentlichen   äußeren   Frömmigkeit   in   den   Opfern,   die Einzelne   und   Genossenschaften   für   Kirchenbau,   kirchliche   und   fromme   Stiftungen   und   Almosen   brachten.   Gewiss   war   dabei   der Hauptbeweggrund   die   Absicht,   für   irdisches   Gut   sich   himmlischen   Lohn   zu   erkaufen.   Zur   Frage   steht,   wie   weit   unter   den   Kaufleuten das   Gefühl   der   Schuldhaftigkeit   durch   unerlaubten   Gewinn   und   Übertretung   des   kirchlichen   Zinsverbots   mitgewirkt   hat.   Vermutlich ist   auch   die   Beteiligung   am   Gottesdienst,   insbesondere   in   dem   teilnehmen   an   der   Messe   sehr   rege   gewesen.   Neben   den   üblichen Frühmessen   wurden   eigene   Messen   für   Langschläfer   gestiftet,   und   in   eine   Stunde   (8   Uhr),   die   zu   seinem   Leidwesen   bis   dahin   ohne Gottesdienst   war,   verlegte   der   Pfarrer   Johann   v.   Brügge   in   seinem   1515   errichteten   Testament   die   Messe   einer   von   ihm   gestifteten Kommende.    Nach    einer    nur    in    einem    späteren    Auszug    erhaltenen    Stadtbuchschrift    hatten    1415    die    Bäckeraltersleute    allein    am Mittwoch   nach   Ostern   für   60   Seelmessen   zu   sorgen.   Neben   Fronleichnamsmessen   wurden   Marienmessen   begründet,   auch   besondere Gesänge   angeordnet,   vor   allem   Salve   regina   Marien.   Zeiten   bestanden   in   allen   drei   Pfarrkirchen   und   in   der   Heil.   Geist-Kirche.   Die kanonischen   Zeiten   in   St.   Marien   dagegen,   die   der   Ritter   Heinrich   von   der   Lühe   zu   Buschmühlen   und   der   Pfarrer   von   St.   Marien,   der kurz vorher genannte   Dr.   Johann v.   Brügge,   im Anfang des   16.   Jahrhunderts   begründen wollten, sind   nicht zum Vollzug gekommen. Auf regelmäßiges   Beichten   wird   gehalten,   und   der   Einfluss   der   Beichtiger   nicht   gering   gewesen   sein.   An   den   Prozessionen,   die   regelmäßig am   Markustag   (25.   April)   und   am   Sonntage   nach   Fronleichnam   ( alse   men   dat   sacrament   in   de   stadt   drecht )   stattfanden,   haben   sich sicher   Rat   und   Bürger   in   frommem   Eifer   beteiligt,   während   aber   über   deren   Anordnung   aus   verschiedenen   Städten   z.   B.   Köln,   Goslar und   Göttingen   mehr   oder   minder   ausführliche   Bestimmungen   vorliegen,   zeugen   für   Wismar   nur   die   Weinrechnungen   des   Ratskellers davon,    die    Verehrungen    an    Pfarrer,    Schulmeister    und    Baldachinträger    buchen.    Noch    aber    stehen    die    schönen    Lichtbäume (Prozessionsleuchter) des Trägeramtes in der Heil. Geistkirche, über die Prozession mit dem Palmesel ist im 7. Kapitel berichtet. Dem   gegenüber   steht   die   uns   befremdende   Erscheinung,   dass   das   Geschäftsleben   in   Wismar   und   den   Nachbarorten   an   Sonn-   und Feiertagen weniger   ruhte als   jetzt   und dass die   Obrigkeiten   sich   kaum darum gekümmert   zu   haben   scheinen.   Die Vorschriften, die   sich darüber   finden,   stehen   fast   ausnahmslos   in   den   Amtsrollen.   Die   Erklärung   wird   darin   zu   suchen   sein,   dass   auch   das   Alltagsleben   mit Gottesdienst gesättigt und der Unterschied von Alltag und Feiertag daher so groß nicht war. Wenn   man   endlich   bei   Beurteilung   der   vielfachen   Kirchendiebstähle,   ja   oft   wahrhaften   Raubzüge   auch   vorsichtig   sein   muss   und   nicht vergessen   darf,   die   Versuchung   durch   die   Gelegenheiten   in   Rechnung   zu   ziehen:   so   bezeugen   sie   doch   einen   unerwarteten   Mangel   an Achtung   vor   dem   Heiligsten.   Zu   schützen   suchte   man   sich   dagegen   (auch   in   Wismar)   dadurch,   dass   man   nachts   Hunde   in   die   Kirchen ließ.
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